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Konzentrationslager Mauthausen-Gusen 1938–1945 |
1937 sowie der erweiterte Schutzhaftbefehl vom 25. Jänner 1938. Hintergrund für die
Verfolgung nichtpolitischer Gruppen war neben den bereits erwähnten ökonomischen
Beweggründen die ideologisch motivierte Absicht, das «deutsche Volk» von sozial De-
vianten zu «säubern». Zudem sollte der durch die Expansion des Lagersystems gewon-
nene KZ-Haftraum aufgefüllt werden.17 So führte beispielsweise Ulrich Greifelt, Chef
der Dienststelle Vierjahresplan im Stab des Reichsführers-SS, im Jänner 1939 aus, dass
es angesichts der «angespannten Lage am Arbeitsmarkt […] ein Gebot der nationa-
len Arbeitsdisziplin [war], alle Personen, die sich dem Arbeitsleben der Nation nicht
einpassen wollten und als Arbeitsscheue und Asoziale dahinvegetierten […], auf dem
Zwangswege zu erfassen und zur Arbeit anzuhalten». Über 10.000 Personen sollten
«eine Erziehungskur zur Arbeit in den hierzu hervorragend geeigneten Konzentrati-
onslagern» durchmachen.18
Insgesamt wurden im ersten Jahr seines Bestehens 1080 Häftlinge nach Mauthausen
deportiert.19 Entgegen Bürckels Ankündigung wurden bei dem Novemberpogrom in
Wien verhaftete Juden nicht in das KZ Mauthausen deportiert, sondern nach Dachau.
Offensichtlich behielt in der ersten Periode des Lageraufbaus Dachau die Funktion als
zentrales Einweisungslager für Österreicher bei.
Die ersten Häftlinge waren zunächst in Baracken auf dem Steinbruchgelände des
Wiener Grabens untergebracht und mussten das Konzentrationslager errichten.20 Nach
der Planierung des Lagergeländes südöstlich über dem Steinbruchgelände wurden bis
Jahresende die ersten vier Baracken fertiggestellt.21
Der Jahresbeginn 1939 brachte zwei, den Charakter des Konzentrationslagers Maut-
hausen in den darauffolgenden Jahren wesentlich prägende Veränderungen : den an-
laufenden Arbeitseinsatz für die DESt und den Austausch des Lagerkommandanten.
Der gelernte Tischler Albert Sauer, seit 1931 SS-Mitglied, war 1936 Kommandant des
frühen Konzentrationslagers Bad Sulza und danach Zweiter Schutzhaftlagerführer in
Sachsenhausen gewesen, bevor er 1938 von Eicke zum Kommandanten des KZ Maut-
hausen befördert wurde.22 Nach nur einem halben Jahr wurde Sauer in dieser Position
von Franz Ziereis abgelöst. Sauer hatte kurz zuvor am elften Lehrgang der SS-Führer-
17 Vgl. Karin Orth : Das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Eine politische Organisa-
tionsgeschichte, Hamburg 1999, S. 46–54 ; sowie Pingel, Häftlinge unter SS-Herrschaft, S. 69 ff.
18 Zit. nach Drobisch/Wieland, System der NS-Konzentrationslager, S. 287.
19 Maršálek, Geschichte, S. 137.
20 Gisela Rabitsch : Das KL Mauthausen, in : Martin Broszat (Hg.), Studien zur Geschichte der Konzentrati-
onslager, Stuttgart 1970, S. 50–92.
21 Franz Jany : Bericht über meinen 3 jährigen Aufenthalt im Konzentrationslager (1938 bis 1941) Maut-
hausen an der Donau, verfasst am 2. September 1944 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, Archiv der
KZ-Gedenkstätte Mauthausen (AMM), A/03/03 ; Janys Bericht wurde auch publiziert in : Bundesmi-
nisterium für Inneres (Hg.), KZ-Gedenkstätte Mauthausen | Mauthausen Memorial 2008, Wien [2009],
S. 80–85.
22 Zu Sauers Biografie siehe Gregor Holzinger : Albert Sauer, in : ders. (Hg.), Die zweite Reihe, S. 136–142.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen