Seite - 218 - in Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik, Band 1
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218 | Christian Dürr und Ralf Lechner
schule Dachau teilgenommen und am 31.
März eine durchgehend negative Beurteilung
durch den Leiter der Führerschule erhalten. So ist in der Gesamtbeurteilung vermerkt :
«Unklarer, verbrauchter Charakter, der mit geradezu schwätzerhaftem Besserwissen stets die
Fehler bei anderen sucht und der nicht gewillt ist, sich hart in die Hand zu nehmen. Da er
bisher nicht die Notwendigkeit begriffen hat, sich selbst zu schulen, und sich das notwendige
Wissen anzueignen, waren seine Leistungen auf allen Ausbildungs- und Wissensgebieten un-
ter dem Durchschnitt. […] Er muss künftig hart angefasst und ständig geführt werden, damit
er endlich die für einen Führer notwendigen Voraussetzungen lernt.»
Im Weiteren wurde Sauer – «um wirtschaftliche Härte zu vermeiden» – zur Führung
eines Sturmbannes vorgeschlagen.23 Dem Personalaustausch waren Beschwerden des
Perger Landrates Dr. Gustav Brachmann über Sauer und die Angehörigen des SS-To-
tenkopfsturmbannes vorausgegangen. So hatte Brachmann Anzeige erstattet, weil SS-
Wachmänner in aller Öffentlichkeit Häftlinge von der Fähre in die Donau gestoßen
oder in Gasthäusern auf Kruzifixe geschossen hatten. In Reaktion darauf wurde Brach-
mann mehrmals von Gauleiter Eigruber gerügt.24
Der 1905 in München geborene Franz Ziereis25 trat nach abgeschlossener Kauf-
mannslehre als Berufssoldat bei der Reichswehr ein. Seit 1936 bei der SS, wurde er im
Februar 1939 zur «Wahrnehmung der Dienststelle des Lagerkommandanten» kom-
mandiert und im April offiziell zum Kommandanten ernannt. Ziereis übte seinen Pos-
ten zur vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten aus, die in Dienstbeurteilungen sein
«soldatisches Wesen» und sein Ansehen bei den lokalen Dienststellen hervorhoben.26
Mit Ziereis kamen 1939/40 auch Angehörige des Kommandanturstabes, die den Cha-
rakter des Konzentrationslagers mit der höchsten Mortalität entscheidend mitprägen
sollten : im Jänner 1939 der Erste Schutzhaftlagerführer Georg Bachmayer, im Septem-
ber 1939 der Leiter der Politischen Abteilung Karl Schulz, im Frühjahr 1940 der Ad-
jutant des Kommandanten Viktor Zoller – der im Jahr 1942 von Adolf Zutter abgelöst
wurde –, der als «Zweiter Schutzhaftlagerführer des K.L. Mauthausen» titulierte Lager-
führer des KZ Gusen Karl Chmielewski sowie der Verwaltungsführer Xaver Strauss.27
23 Personalakte Albert Sauer, BArch Berlin, Berlin Document Center (BDC), SSO-063B. 1942/43 war Sauer
wieder Schutzhaftlagerführer in Sachsenhausen, später Kommandant des KZ Riga-Kaiserwald. Dank an
Gregor Holzinger für den Hinweis.
24 Ebd. bzw. Zusammenfassung Interview Gustav Brachmann/Hans Maršálek, 16.
März 1965, AMM, A/06/
02.
25 Gregor Holzinger : Franz Ziereis, in : ders. (Hg.), Die zweite Reihe, S. 184–191.
26 Freund/Perz, Mauthausen – Stammlager, S. 295 f. Ziereis nahm sowohl an der Besetzung Österreichs als
auch des Sudetenlandes teil und war vor seiner Beförderung zum KZ-Kommandanten zuletzt Ausbilder
bei der SS-Totenkopfstandarte Thüringen.
27 Kurzbiografien der hier genannten Angehörigen des Kommandanturstabs wurden 2016 in dem bereits
zitierten Sammelband «Die zweite Reihe» von Gregor Holzinger publiziert.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen