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231Das
Konzentrationslager Mauthausen-Gusen 1938–1945 |
Im Laufe des Jahres 1941 versuchte die SS die Tötungsarbeit zu «professionalisieren»,
indem sie einerseits Distanz schaffende Methoden zur massenhaften Ermordung von
Menschen erprobte und institutionalisierte, andererseits die Beseitigung von in ihren
Augen «unnützem Menschenmaterial» nach logistischen Kriterien effizienter gestaltete.
Schon am 5.Â
Mai 1940 war in Mauthausen ein lagereigener Krematoriumsofen, der von
der Firma Kori geliefert worden war, in Betrieb genommen worden. Noch im gleichen
Jahr plante die SS, offensichtlich in Erwartung weiter steigender Todeszahlen, die Er-
richtung zusätzlicher Krematoriumsöfen. Ende Jänner 1941 wurde auch in Gusen ein
Krematoriumsofen in Betrieb genommen. Am 8. Mai 1941 erteilte die SS-Bauleitung
Mauthausen der Fa. Topf & Söhne den Auftrag zur Errichtung eines koksgefeuerten
Doppelmuffelofens der Type «Auschwitz».88
Bis zur Errichtung lagereigener Krematoriumsöfen waren die Leichen, wie auch in
anderen NS-Konzentrationslagern, in städtischen Krematorien verbrannt worden ; die
SS ließ die sterblichen Überreste zur Einäscherung in den Krematorien der Stadt Steyr
sowie der Stadt Linz transportieren. Die Verbrennungsanlagen innerhalb der Konzen-
trationslager erlaubten nicht nur eine kostengĂĽnstigere und zeiteffizientere Beseitigung
der Häftlingsleichen – für die städtischen Krematorien war die Leichenverbrennung
ein lukratives Geschäft und der Transport der Leichen nach Steyr oder Linz war für
die SS zeit- und arbeitsaufwändig –, sondern entzogen auch die Massenhaftigkeit des
Mordens dem Blick der Öffentlichkeit.89 Zugleich wurden mit der Einäscherung der
Leichen Beweisspuren von Gewaltverbrechen beseitigt und somit eine juristische Ver-
folgung unmöglich gemacht.90
Desgleichen traf die SS auch auf administrativer Ebene MaĂźnahmen zur Verschlei-
erung des massenhaften Sterbens in den Konzentrationslagern : So wurden die Toten
ab dem 31. August 1941 nicht mehr im Sterberegister des Standesamtes Mauthausen
erfasst, sondern offiziell nur mehr im Totenbuch des der Politischen Abteilung ange-
gliederten «Standesamtes II».91
88 Bertrand Perz et al.: Die Krematorien von Mauthausen, in : Bundesministerium für Inneres (Hg.), KZ-
Gedenkstätte Mauthausen | Mauthausen Memorial 2008. Forschung – Dokumentation – Information,
Wien 2009, S. 12–23, hier 15.
89 Ebd., S. 14.
90 Lothar Gruchmann : Justiz im Dritten Reich 1933–40. Anpassung und Unterwerfung in der Ära Gürtner,
München 1988 (Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, 28), S. 632–658.
91 Maršálek, Geschichte, S. 150 ; Alphabet. Namensverzeichnis des Gemeindestandesamtes Mauthausen,
AMM, E/10/3 ; Briefwechsel Hans Maršálek/Städt. Unternehmungen Steyr betr. Veraschung ehem. Häft-
linge des KLM und des KL Gusen, AMM, B/40/10. Daneben fĂĽhrte die SS-Lagerverwaltung auch noch
Totenregistraturen fĂĽr den lagerinternen Gebrauch.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen