Seite - 236 - in Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik, Band 1
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236 | Christian Dürr und Ralf Lechner
heizter Krematoriumsofen der Firma Kori errichtet, dessen Aufstellung von der Bau-
leitung Mauthausen im Mai 1942 in Auftrag gegeben wurde.108 Der Raum, in dem sich
das Schussgerät befunden hatte, wurde schließlich zu einem Auskleideraum für die
Opfer der Gaskammermorde umfunktioniert.
Wie in anderen Lagern fanden auch im KZ Mauthausen/Gusen «Aussonderungen»
von «politischen Kommissaren», das heißt die Selektion ideologischer Feinde zur Er-
mordung, durch die Gestapo statt.109 Am 17. März 1942 ist die erste Exekution von
sowjetischen Kriegsgefangenen dokumentiert, als elf Rotarmisten auf «Erlass des
Chefs d. Sipo u. d. SD» offiziell hingerichtet wurden.110 Es ist nicht bekannt, ob es
sich dabei um bereits zuvor in einem Stalag oder erst in Mauthausen «Ausgesonderte»
handelte. Parallel zu den «Aussonderungen» in den Stalags lieferte die Wehrmacht ab
Ende September 1941 sowjetische Kriegsgefangene zum Arbeitseinsatz an die SS aus.111
Für diese wurden innerhalb der Konzentrationslager sogenannte «Kriegsgefangenen-
Arbeitslager» eingerichtet.112 In Mauthausen entstand in den Baracken 16 bis 20 ein
vom Schutzhaftlager getrennter Bereich, in Gusen in den Baracken 13 bis 16 sowie 21
bis 24. Zwischen dem 20. und 24. Oktober 1941 trafen etwa 4000 «Arbeitsrussen» in
Mauthausen und Gusen ein, insgesamt wurde die Überstellung von 21.000 Rotarmis-
ten in diese Lager angekündigt.113 Angesichts des erwarteten Eintreffens einer derart
108 Perz et al., Die Krematorien von Mauthausen [Jahrbuch], S. 17 ; Aktenvermerk über die polizeiliche
Befragung von Johann Kanduth, AMM, M/5/13.
109 Dazu die Aussage des Adjutanten des Kommandanten Viktor Zoller : «So lange ich noch Adjutant in
Mauthausen war, wurde innerhalb des Konzentrationslagers eine gesonderte Abteilung geschaffen mit
der Bezeichnung ‹Kriegsgefangenen Lager›, in die kriegsgefangene Russen eingeliefert wurden. Eines
Tages kam vom Reichsicherheitshauptamt über die Amtsgruppe D ein Geheimschreiben, in dem das
Eintreffen einer Sonderkommission vom RSHA angekündigt wurde, welche die Aufgabe habe, aus den
russischen Kriegsgefangenen die Kommissare und Politruks auszusuchen, die dann auf höchsten Be-
fehl hin liquidiert werden sollten. Diese Kommission ist auch tatsächlich eingetroffen. Ich habe gehört,
dass die ausgesuchten Russen vergast worden sind. Als ich 1944 wieder nach Mauthausen kam, habe
ich das Lager nicht mehr gesehen.» Eidesstattliche Erklärung von Viktor Zoller, 1. 3. 1946, NARA, RG
549, War Crimes Case Files (Cases Tried), U.S. vs. Hans Altfuldisch et al., Box 345, Folder 4.
110 Totenbuch Kriegsgefangene, AMM, Y/31 (Original in NARA, RG 238, IMT Prosecution Exhibit,
Box 13, USA 250 = Mikrofilmpublikation A 3355, Mauthausen, roll 12–13).
111 Vgl. Rolf Keller : Sowjetische Kriegsgefangene im Deutschen Reich 1941/42. Behandlung und Arbeits-
einsatz zwischen Vernichtungspolitik und kriegswirtschaftlichen Zwängen, Göttingen 2011 (Schriften-
reihe der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten, 1), S. 406–412.
112 Orth, System, S. 102.
113 Perz, Verwaltete Gewalt, S. 59-63 ; Gregor Holzinger/Andreas Kranebitter : Sowjetische Kriegsgefan-
gene im KZ Mauthausen und die Ereignisse der «Mühlviertler Hasenjagd». Perspektiven der Forschung,
in : Bundesministerium für Inneres (Hg.), KZ-Gedenkstätte Mauthausen | Mauthausen Memorial 2010,
Wien 2011, S. 57–68. Dem Eintrag im «Totenbuch Kriegsgefangene» zufolge starb der erste «Arbeits-
russe» am 21. Oktober 1941, AMM, Y/31. Auf Maršáleks Irrtum, dass diese Kriegsgefangenen auf der
Grundlage des Erlasses der IKL vom 15. November 1941 «von der Exekution zurückgestellt» worden
seien, hat erstmals Reinhard Otto hingewiesen. Vgl. Otto, Wehrmacht, S. 267, Fn. 20.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen