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Konzentrationslager Mauthausen-Gusen 1938–1945 |
ten KZ-Häftlinge wurden in einem behelfsmäßig errichteten Barackenlager, dem Lager
Gusen II, untergebracht. Das dritte große Außenlager für die unterirdischen Verlage-
rungsbemühungen der Rüstungsindustrie wurde im April 1944 in Melk gegründet. Die
Häftlinge mussten dort Tunnelanlagen zur Unterbringung eines Wälzlagerwerks der
SDP unter dem Decknamen «Quarz» errichten.173
Für den Vortrieb und Ausbau der unterirdischen Stollenanlagen benötigte die SS
zusätzliche Arbeitskräfte.174 Bislang waren in den Lagern der Rüstungsindustrie vor
allem Facharbeiter benötigt worden, deren Qualifikation gefragt und deren Arbeits-
kraft grundsätzlich als erhaltenswert angesehen wurde. Für die Mammutprojekte zur
unterirdischen Verlagerung der Rüstung zog die SS nun zunehmend einfache Hilfsar-
beiter heran, die über keine spezifischen Qualifikationen verfügten, die sie angesichts
horrender Arbeitsbedingungen und steigender Todesraten jedoch einfach ersetzen
konnte. Man fand diese zunächst in jüdischen Häftlingen, besonders aus Ungarn.
Der Zugriff auf diese war im April 1944 möglich geworden, nachdem Hitler verfügte
hatte, 200.000 Juden zum Zweck des Arbeitseinsatzes in Großbauunternehmen vor-
läufig aus dem Vernichtungsprozess auszunehmen.175 Zwischen Ende Mai und Mitte
Juni 1944 wurden insgesamt 7500 ungarische Juden in vier großen Transporten aus
Auschwitz in das KZ Mauthausen verlegt. Der Großteil von ihnen wurde innerhalb
kurzer Zeit auf die Außenlager Gusen
II, Melk und Ebensee weiterverteilt. Zwei Drittel
dieser jüdischen Häftlinge kamen im Zeitraum bis Mai 1945 entweder vor Ort in den
Außenlagern oder nach ihrer Rücküberstellung ins Sanitätslager von Mauthausen zu
Tode.176 Ein weiterer großer Transport jüdischer Häftlinge erreichte Mauthausen am
10. August 1944, insgesamt 4589 Personen hauptsächlich polnischer Nationalität, die
aus dem aufgelassenen KZ Płaszów bei Krakau verlegt worden waren. Sie wurden kurz
nach ihrer Ankunft auf mehrere Rüstungsaußenlager verteilt, etwa je 1600 wurden in
die Lager Ebensee und Gusen verschickt. Da es sich bei diesen Häftlingen um bereits
haben, sondern auch, dass die Ausdehnung der Stollenanlage «Bergkristall» um ein Vielfaches größer
gewesen wäre, als durch alle bisher bekannten Quellen belegt werden konnte. Vgl. https://presseportal.
zdf.de/pm/die-suche-nach-hitlers-atombombe/ (18. 10. 2020). Ein interdisziplinärer Expertenbericht
widerlegte diese Spekulationen detailliert ; siehe Bezirkshauptmannschaft Perg (Hg.) : Expertenbericht
zur Stollenanlage in St.
Georgen/Gusen «Bergkristall», Perg 2015. Der Expertenbericht hielt die Redak-
tion von ZDF-History aber nicht davon ab, 2019 erneut vergleichbare «alternative Fakten» zu senden.
Vgl. Stefan Brauburger : Unterirdische SS-Anlage. Geheimes KZ unter Tage ?, URL : https://www.zdf.de/
nachrichten/heute/unterirdische-ss-anlage-in-oesterreich-100.html (18. 10. 2020).
173 Zum Außenlager Melk siehe Perz, Projekt Quarz.
174 Bertrand Perz schätzte, dass mindestens 60.000 der insgesamt ca. 200.000 Häftlinge des KZ Maut-
hausen und etwa 40 Prozent der im Herbst 1944 in Mauthausen und seinen Außenlagern internier-
ten Häftlinge bei Bauvorhaben zur Untertageverlagerung eingesetzt wurden. Vgl. Perz, Arbeitseinsatz,
S. 543.
175 Perz, Projekt Quarz, S. 248 ; Rainer Fröbe : Der Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen und die Perspektive
der Industrie, in : Herbert (Hg.), Europa und der «Reichseinsatz, S. 351–383, hier 360.
176 Metadatenbank, AMM.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen