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252 | Christian Dürr und Ralf Lechner
zuvor für den Arbeitseinsatz ausgewählte Personen handelte, war der Anteil der Fach-
arbeiter höher als bei den vorangegangenen Transporten aus Auschwitz. Die Todesrate
war entsprechend geringer. Dennoch kam mehr als die Hälfte von ihnen ums Leben.177
Insgesamt wurden im Jahr 1944 an die 14.000 jüdische Inhaftierte als Arbeitskräfte in
das Mauthausener Lagersystem verschickt. 8400 von ihnen starben bis zur Befreiung
oder unmittelbar danach.178
Der Bedarf an Arbeitskräften konnte allein mit diesen Kontingenten jüdischer Häft-
linge nicht gedeckt werden. In mehreren großen Transporten wurden insbesondere
aus den Konzentrationslagern Auschwitz, Dachau, Groß-Rosen und Stutthof im Jahr
1944 – vor allem zwischen März und September – nichtjüdische Häftlinge in das La-
gersystem Mauthausen verschickt. Dazu kamen im September etwa 4700 Zivilisten
aus Warschau, die in der Folge des Warschauer Aufstands verhaftet und deportiert
worden waren. Insgesamt wurden im Jahr 1944 etwa 55.000 nichtjüdische Häftlinge in
das Lagersystem Mauthausen verlegt und auf eine Vielzahl von Rüstungsaußenlagern
verteilt. Neben politischen Deportierten insbesondere aus Polen, aber auch aus westeu-
ropäischen Ländern und dem Baltikum, befanden sich darunter Tausende sowjetische
Zivilarbeiter.
Die Gesamtzahl der Häftlinge im Lagersystem Mauthausen stieg innerhalb des
Jahres 1944 von etwa 26.500 zu Jahresbeginn auf mehr als 79.000 zu Jahresende und
damit beinahe auf das Dreifache an.179 Die Zahl der Häftlinge im Hauptlager vergrö-
ßerte sich dabei im Vergleich zu jener des gesamten Mauthausener Lagersystems in
wesentlich geringerem Maße. Während sich im Hauptlager zu Jahresbeginn in etwa
9000 Häftlinge befanden, erhöhte sich diese Zahl im September zunächst auf rund
15.000, fiel gegen Jahresende jedoch wieder auf etwa 10.000 ab. Im Jahresdurchschnitt
waren mehr als 40 Prozent der Häftlinge des Stammlagers im Sanitätslager isoliert.180
Das Lager Gusen, das seit Jänner 1944 zunehmend den Charakter eines Außenlagers
des KL Mauthausen annahm, expandierte wesentlich stärker als sein Stammlager, von
etwa 7500 zu Jahresbeginn auf mehr als 24.000 zum Jahreswechsel 1944/45, wovon
etwa 10.000 im Barackenlager Gusen II untergebracht waren.181 Ähnliches gilt für die
177 Ebd.
178 Ebd.
179 Florian Freund/Andreas Kranebitter : Zur quantitativen Dimension des Massenmords im KZ Mauthau-
sen und den Außenlagern, in : Gedenkbuch Mauthausen, Bd. 1, S. 56–67, hier 58.
180 Maršálek, Geschichte, S. 156.
181 Veränderungsmeldungen der Schutzhaftlagerkanzlei Gusen, AMM, B/12/14/2. Diese Dimension mag
neben anderen hier schon angeführten Umständen der Grund dafür gewesen sein, dass polnische
Überlebendenverbände anlässlich der Überführung der KZ-Gedenkstätte Mauthausen aus der unmit-
telbaren Verwaltung des österreichischen Innenministeriums in eine eigenständige Bundesanstalt die
Umbenennung der Gedenkstätte in «Bundesanstalt KZ-Gedenkstätte Mauthausen-Gusen» einforder-
ten. Vgl. dazu etwa die Presseaussendung der Botschaft der Republik Polen vom 29. Juni 2016, https://
www.ots.at/presseaussendung/OTS_20160629_OTS0026/botschafter-unterstuetzen-ausgliederung-
der-kz-gedenkstaette-mauthausen (18.10.2019).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen