Seite - 18 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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18 | Alexander Prenninger, Regina Fritz, Gerhard Botz, Melanie Dejnega und Heinrich Berger
worden, auf der anderen Seite vom Fluss. Und aus diesem Dorf sind wir direkt/. – So ist
das üblicherweise. […] Zunächst kamen wir in einen anderen Rayon».15
Der französische Historiker Tal Bruttmann hat darauf hingewiesen, dass die in der
deutschen Sprache üblichen Begriffe wie «KZ-Häftlinge» oder «Gefangene», aber auch
die englischen Begriffe inmate oder prisoner ebenso wie das polnische więzień (Häft-
ling) auf die Haft oder Internierung an einem bestimmten Ort fokussieren.16 Alle diese
Begriffe verweisen auf die UrsprĂĽnge der Einweisung in ein Konzentrationslager durch
einen «Schutzhaftbefehl» der Gestapo.
Die nationalsozialistische «Schutzhaft» zeichnete sich durch drei Prinzipien aus : Der
Haftbefehl erfolgte erstens ohne die Entscheidung eines Richters, die Haft diente zwei-
tens präventiven Zwecken und sie war drittens zeitlich unbegrenzt.17 Als «Schutzhäft-
linge» kamen zunächst vor allem Personen, die aus dem Deutschen Reich, Österreich
und anderen annektierten Gebieten stammten, nach Mauthausen, das fĂĽr die Gestapo
die Funktion eines «Einweisungslager» hatte. Im Zuge der Expansion des Deutschen
Reichs entwickelte sich die «Schutzhaft» zu einem zentralen Instrument der Verfolgung
und UnterdrĂĽckung in den besetzten Gebieten in Form der Deportation in die Konzen-
trationslager auf deutschem Reichsgebiet.
Die im romanischen Sprachgebrauch üblichen Bezeichnungen déporté, deportato, de-
portado oder deportats nehmen diese staatlich organisierte zwangsweise Verschickung
in andere Gebiete stärker in den Blick.18 Als Teil der millionenfachen Zwangsmigrati-
onen von 1939 bis ca. 1948 bestanden die Deportationen in den vom Deutschen Reich
beherrschten oder mit diesem verbĂĽndeten Gebieten Europas aus drei verschiedenen
Prozessen : erstens aus Deportationen aus politischen GrĂĽnden und im Rahmen der Un-
terdrĂĽckungspolitik, zweitens aus der Deportation von Zwangsarbeitern und drittens
aus den Deportationen im Zuge der Ermordung der europäischen Juden.19 Für alle drei
Gruppen wurden spezifische Lagertypen entwickelt.
15 AMM, MSDP, OH/ZP1/035, Interview mit Aleksandra Iwanowna Michailowna, Interviewerin : Alena
Koslowa, Aschukino, 3. 3. 2002.
16 Tal Bruttmann : Qu’est-ce qu’un déporté ?, in : ders. et al. (Hg.), Qu’est-ce qu’un déporté ? Histoire et
mémoires des déportations de la Seconde Guerre Mondiale, Paris 2009, S. 19–39, hier 19 f., sowie die
Definition von Deportation in der deutschsprachigen Wikipedia, URL : https://de.wikipedia.org/wiki/
Deportation (18. 5. 2020).
17 Veronika Springmann : Qui étaient les Häftlinge ? Ennemis, opposant au régime, « étrangers à la commu-
nauté » (1933–1945), in : Bruttmann et al. (Hg.), Qu’est-ce qu’un déporté ?, S. 41–61, hier 44. Vgl. Ulrich
Herbert : Von der Gegnerbekämpfung zur «rassischen Generalprävention». «Schutzhaft» und Konzen
tra-
tionslager in der Konzeption der Gestapo-Führung 1933–1939, in : ders. et al. (Hg.), Die nationalsozia-
listischen Konzentrationslager. Entwicklung und Struktur, Bd. 1, Göttingen 1998, S. 60–86.
18 Zum «politischen Häftling» als modernes Phänomen siehe Padraic Kennedy : Dance in Chains. Political
Imprisonment in the Modern World, New York 2017.
19 Laurent Joly : Introduction, in : Bruttmann etÂ
al. (Hg.), Qu’est-ce qu’un déporté ?, S. 5–15, hier 11 (dort in
anderer, nicht chronologischer Reihenfolge).
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen