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Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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24 | Alexander Prenninger, Regina Fritz, Gerhard Botz, Melanie Dejnega und Heinrich Berger sozialen und materiellen Lebenswelt vor Beginn der direkten Verfolgung erworben. Ukrainische Überlebende berichten etwa, dass die Erfahrungen der Hungersnot in der Ukraine 1932/33 sie gelehrt hätten, auch im Konzentrationslager mit wenig Nahrung auszukommen. Andererseits waren Inhaftierte, die vor ihrer Ankunft in Mauthausen bereits mehrere Jahre in anderen nationalsozialistischen Lagern verbracht hatten, im Regelfall gesundheitlich mehr mitgenommen als Neuzugänge, was ihre Überlebens- chancen auch schmälern konnte. Außerdem waren «Neuankömmlinge» in Mauthau- sen oft einem stärkeren «Vernichtungsdruck» ausgesetzt, der gleichzeitig die «alten» Häftlinge entlastete.31 Zweitens wirkten sich die Wege nach Mauthausen aber nicht nur auf die Überlebens- bedingungen im Lager aus, sondern auch darauf, wie die Verfolgung im Allgemeinen und die Zeit in Mauthausen im Speziellen rückblickend in die lebensgeschichtliche Selbstdarstellung eingeordnet wurden. Gerade im Fall von politisch Verfolgten be- gannen Erzählungen über ihre Verfolgung häufig schon bei politischen Konflikten, gewaltsamen Auseinandersetzungen und Verfolgungen der 1920er und 1930er Jahre. Aus rassistischen Gründen Verfolgte ließen jedoch ihre Lebensgeschichte in der Regel mit der Familiengeschichte beginnen ; Überlebende, die als Kriegsgefangene ins KZ gerieten, leiteten ihre Erzählung dagegen oft mit dem Militäreinsatz ein, ehemalige Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen mit der Beschreibung der Besatzungssituation. Der Weg von Personen, die als Geiseln nach Mauthausen gebracht wurden, nahm in den Interviews mit der Schilderung der Brutalität des Partisanenkrieges seinen Anfang. Aber nicht nur in den Interviews Erwähntes, sondern gerade auch Ausgespartes ist für die Interpretation lebensgeschichtlicher Interviews bedeutsam. Im Fall von ukraini schen Zwangsarbeitern ist dieses «Nicht-Sagbare», wie Imke Hansen in ihrem Beitrag zeigt, etwa die freiwillige Meldung zum Arbeitseinsatz im Deutschen Reich. Die ukrainische Überlebende Warwara Gritschenko sagt : «Freiwillig ist bei uns, glaube ich, niemand gefahren.»32 Solche Auslassungen geschehen, wenn bestimmte Erfahrun- gen in der Öffentlichkeit, im persönlichen Umfeld oder auch nur in der Vorstellung der interviewten Überlebenden entweder einen geringen Stellenwert haben oder  – wie bei Gritschenko  – selbst jahrzehntelang nach den Ereignissen noch mit einem Tabu belegt sind.33 Der Aufbau dieses Bandes folgt im Wesentlichen den Etappen der Expansion des nationalsozialistischen Machtbereichs. Die Erzählungen der Überlebenden zeigen uns, dass der Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft bzw. Besatzung einen Wende- punkt in ihren Lebensverläufen bedeutete. Für Überlebende, die aus dem Deutschen 31 Siehe dazu die Beiträge von Andreas Kranebitter und Christian Dürr/Ralf Lechner in Band 1. 32 AMM, MSDP, OH/ZP1/854, Interview mit Warwara Kalistratowna Gritschenko, Interviewerin : Irina Ostrowskaja, Budy, 14. 11. 2003. 33 Vgl. Harald Welzer : Das Interview als Artefakt. Zur Kritik der Zeitzeugenforschung [2000], in : Julia Obertreis (Hg.), Oral History, Stuttgart 2012 (Basistexte Geschichte, 8), S. 247–260. Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen Band 2
Titel
Deportiert nach Mauthausen
Band
2
Autoren
Gerhard Botz
Alexander Prenninger
Regina Fritz
Herausgeber
Melanie Dejnega
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21216-4
Abmessungen
16.8 x 23.7 cm
Seiten
716
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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