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34 | Alexander von Plato
Regina Lamstein
Regina Lamstein wurde 1925 in einer polnisch-jüdischen Familie in Warschau gebo-
ren.44 Ihr Vater war Bauunternehmer, die Mutter Hausfrau ; Regina Lamstein hatte
noch vier Schwestern und einen Bruder. Ihre Familie beschrieb sie im Interview als
sehr musikalisch. 1931 wurde sie eingeschult. Über den Kriegsbeginn erzählt sie in
nicht immer klar zusammenhängenden Angstfetzen der Erinnerung, spricht von Bom-
ben, von den einrückenden Deutschen und vom Vater, der aus der Stadt geflüchtet
war und verschwunden blieb. 1939/40 mussten sie, die Mutter, Tanten, Geschwister
und der besonders geliebte Großvater aus einem schönen großen Appartement in eine
«ekelhafte kleine Wohnung» im Warschauer Ghetto übersiedeln. Sie war gerade in der
zweiten Gymnasialklasse.
Angesichts des Hungers und Sterbens im Ghetto und der ersten Deportationen in
die Vernichtungslager entschloss sich die Mutter mit Hilfe von Schleusern aus dem
Ghetto zu flüchten. In einem kleinen Ort bei Krakau kamen sie unter, bis eines Tages
ihre ganze Familie deportiert wurde. Regina Lamstein entkam, da sie nicht zu Hause
war, versteckte sich in den Wäldern, wurde ins Gefängnis gesteckt, aber wieder freige-
lassen. Sie kam bei einem jungen jüdischen Mann unter, der ihr eine gefälschte Kenn-
karte verschaffte. Auf der Straße wurde sie von einem Bauern aufgelesen, der sie nach
Krakau zu Bekannten brachte. Dort wollte sie nicht bleiben und versuchte als Dienst-
mädchen Arbeit zu finden. Von dem jungen Fälscher hatte sie eine Adresse bekommen,
ging hin und wurde aufgenommen. Die Familie hatte bereits zwei jüdische Kinder ver-
steckt und betrieb auch eine Fälscherwerkstatt. Eines Nachts kam die Gestapo in die
Wohnung, nahmen den Fälscher und die zwei Kinder mit. Regina Lamstein entkam der
Verhaftung, musste jedoch die Wohnung verlassen.
Auf eine Anzeige hin nahm sie – weiterhin mit illegalen Papieren – eine Stelle bei
einem Schuster an. Eines Tages wurde sie auf der Straße verhaftet ; sie vermutet von
der Frau des Schusters denunziert worden zu sein. Im Gefängnis wurde sie so schwer
geschlagen, dass sie ihre jüdische Identität preisgab : «Ich wollte erstmal nicht zugeben,
wer ich bin. Aber die haben es rausgeprügelt. Und ich war schon in so einem Zustand,
ich hab aufgegeben, ich hab gesagt, ich will nicht mehr leben, ist mir egal.» Sie wurde
zunächst in das Montelupich-Gefängnis in Krakau gebracht und von dort kam sie in
das in einem Krakauer Vorort gelegene Zwangsarbeitslager Płaszów.45
44 AMM, MSDP, OH/ZP1/585, Interview mit Regina Lamstein, Interviewer : Alexander von Plato, Frank-
furt a. M., 18. 2. 2003.
45 Im Jänner 1944 wurde das Zwangsarbeitslager Płaszów in ein Konzentrationslager umgewandelt. Vgl.
Angelina Awtuszewska-Ettrich : Płaszów
– Stammlager, in : Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hg.), Der Ort
des Terrors. Bd. 8 : Riga-Kaiserwald, Warschau, Vaivara, Kauen (Kaunas), Płaszów, Kulmhof/Chełmno,
Bełżec, Sobibór, Treblinka, München 2008, S. 235–287.
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen