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Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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46 | Alexander von Plato Zu den eingangs erwähnten Schwierigkeiten, Interviewpartner zu finden, gehört auch, dass die meisten deutschen Juden, die die Shoah überlebt hatten, 1945/46 aus- wanderten. Diejenigen, die hier blieben und aus deren Reihen wir unsere Interview- partner wählen wollten, empfanden sich zu einem Teil nicht als Juden, zumindest nicht als religiöse, sondern waren von «Hitler zu Juden gemacht» worden. Einige von ihnen suchten, wie Wolfgang Rebhun, später nach ihren jüdischen Wurzeln und Traditionen, traten erst nach jahrzehntelanger Selbstsicht als «Nichtjude» in jüdische Gemeinden ein,62 andere wanderten später nach Israel aus. Einige verschwiegen ihre jüdische Her- kunft und Verfolgung während der ersten Nachkriegsjahrzehnte (Mimikry). Alle diese verschiedenen Formen des Umgangs mit den eigenen jüdischen Wurzeln finden sich unter unseren Interviewpartnern. Das erklärt unter anderem, warum sie schwer zu finden und für ein Interview zu gewinnen waren. Auch dieses persönliche Nachkriegsverhalten mit den entsprechenden Erfahrungen, manchmal mit Familiengründungen mit christlichen Frauen und getauften Kindern sowie mit langem Schweigen, färbte die Geschichte ihrer Wege durch Konzentrations- lager oder nach Mauthausen. Viele standen außerhalb der Verfolgtenorganisationen und erzählten  – wenn man dies so sagen kann  – «authentischer». Ähnliches lässt sich auch bei jenen beobachten, die als Sinti und Roma verfolgt wurden, wie Reinhard Flo- rian. Den Sinti und Roma als Gruppe wurde erst Anfang der 1990er Jahre (!) offiziell der Status der «rassisch Verfolgten» zuerkannt, 1992 konnten sie das Kulturzentrum der Sinti und Roma in Heidelberg einrichten und 1997 eine eigene Dauerausstellung zu ihrer Verfolgung unter dem Nationalsozialismus eröffnen. Viele hatten wie Reinhard Florian Angst, sich als «Zigeuner» oder als Opfer der nationalsozialistischen Zigeuner- politik zu offenbaren. Viele damals sogenannte «Halbjuden» blieben im Nachkriegsdeutschland, unter ih- nen auch solche, die in Heime oder Waisenhäuser eingeliefert worden waren, wo sie Ar- beiten, manchmal umfangreichere Zwangsarbeiten, verrichten mussten ; andere wan- derten aus oder verschwiegen ebenfalls lange Jahre ihre Einstufung und Verfolgung.63 Georg Langkraer ist einer der wenigen Deserteure unter den Befragten. Die meisten anderen waren bekanntermaßen hingerichtet worden. Die überlebenden Deserteure wurden ebenfalls erst sehr spät, nämlich 1997, vom Deutschen Bundestag rehabilitiert und hatten im westlichen Nachkriegsdeutschland mit dem Vorwurf des Vaterlands- verrats zu kämpfen. Ein Teil von ihnen wanderte aus. Erst spät stellten sich auch nicht- 62 So auch verstärkt nach dem Zusammenbruch der DDR. Vgl. dazu Robin Ostow : Helden und Antihelden. Zwei Typen jüdischer Identität in der DDR, in : BIOS 4.2 (1991), S. 191–204 ; allgemein : Karin Hartewig : Zurückgekehrt. Die Geschichte der jüdischen Kommunisten in der DDR, Köln/Weimar/Wien 2000. 63 Diese Art des verheimlichenden Umgangs mit der eigenen Verfolgung findet sich auch bei Kindern von Widerstandskämpfern, in Westdeutschland vor allem kommunistischen. Vgl. dazu Dieter Nelles et  al.: Die «Kinder des Widerstands». Lebensbedingungen und Sozialisation der Kinder von politisch und reli- giös Verfolgten des NS-Regimes, in : neue praxis. Zeitschrift für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Sozial- politik 33.3/4 (2003), S. 341–357. Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen Band 2
Titel
Deportiert nach Mauthausen
Band
2
Autoren
Gerhard Botz
Alexander Prenninger
Regina Fritz
Herausgeber
Melanie Dejnega
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21216-4
Abmessungen
16.8 x 23.7 cm
Seiten
716
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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