Seite - 67 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
Bild der Seite - 67 -
Text der Seite - 67 -
67Von
Weggabelungen und Einbahnstraßen |
für seine Verfolgung durch die Nationalsozialisten erhalten.32 Nicht nur sein Überle-
ben aufgrund seiner privilegierten Situation in Buchenwald und Monowitz, sondern
auch die gesellschaftliche Anerkennung seiner Verfolgungserfahrung waren überhaupt
erst durch die Betonung der österreichischen Identität möglich. Das Narrativ, einer
«eingefleischte[n] Wiener Familie» angehört zu haben, ließ sich folglich nicht nur in
seiner Darstellung der Zeit im Konzentrationslager finden, sondern prägte bereits –
wie weiter oben dargestellt – die Darstellung der Herkunft seiner Familie.
Zusammenfassend kann hinsichtlich des Inhalts der Kindheits- und Jugenderzäh-
lungen in den Interviews gesagt werden, dass die drei Interviewten, die aus politischen
bzw. religiösen Gründen verfolgt wurden, vor allem die Gründe für die Entstehung
ihres politischen Engagements thematisieren. Im Gegensatz dazu versuchen Michael
Horvath und Fritz Kleinmann, beide Opfer rassistischer Verfolgung, im Interview
jenen rassistisch begründeten Ausgrenzungsmechanismen entgegenzuwirken, die in
letzter Konsequenz zu Verfolgung und Ermordung ihrer Familie führten : Bei Michael
Horvath geschieht dies, indem er seine lebensgeschichtliche Erzählung gegen die Zu-
schreibung, «arbeitsscheu» zu sein, richtet ; Fritz Kleinmann grenzt sich in seiner Er-
zählung anhand seiner wiederholt zum Ausdruck gebrachten Identifikation als «Wie-
ner» und «Österreicher» immer wieder von der nationalsozialistischen Kategorisie rung
als Jude ab.
Die nationalsozialistische Machtübernahme
Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme – die zweite thematische Station in
den Erzählungen über das Leben vor der Verfolgung
– traten Veränderungen ins Leben
der fünf Jugendlichen, die für den weiteren Verlauf ihres Lebens wegweisend sein soll-
ten – für die aus religiösen Gründen Verfolgten wie Hermann Lein und Josef Hechen-
blaikner insofern, als zuvor tolerierte Weltanschauungen nun illegal wurden. Die Wahl,
die blieb, war, entweder sich von seinem Glauben abzuwenden bzw. keinen Tätigkeiten
mehr nachzugehen, die im Widerspruch zur nationalsozialistischen Herrschaftspraxis
standen, oder sich der Möglichkeit auszusetzen, politisch verfolgt zu werden.
Im Gegensatz dazu hatten aus rassistischen Gründen Verfolgte keine Wahl. Viel-
mehr wurden sie mit dem «Anschluss» Österreichs an das Deutsche Reich nun defini-
tiv aus der deutschen «Volksgemeinschaft» ausgeschlossen. In den lebensgeschichtli-
chen Erzählungen der Überlebenden wird die totale soziale Exklusion und Verfolgung
zum Leitmotiv der «Anschluss»-Erzählung. So etwa bei Michael Horvath :
32 Zur Relevanz gesellschaftlicher Anerkennung und ihrer Auswirkung auf lebensgeschichtliche Selbstdar-
stellungen siehe Melanie Dejnega : Rückkehr in die Außenwelt. Öffentliche Anerkennung und Selbstbil-
der von KZ-Überlebenden in Österreich, Wien/Berlin/Münster 2012 (Wiener Studien zur Zeitgeschichte,
4).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
zurück zum
Buch Deportiert nach Mauthausen, Band 2"
Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen