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Deportiert nach Mauthausen, Band 2
Seite - 75 -
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75Von Weggabelungen und Einbahnstraßen | Die Frage der Interviewerin, ob er bei seiner Verhaftung eine Vorstellung davon gehabt habe, was passieren würde, verneint Michael Horvath und schildert die Informationen, die er bei der Festnahme erhalten hatte. «Nein, die haben nur gesagt zur Arbeit. ‹Aber ich habe meine Arbeit. Warum nehmen Sie mir meine Arbeit weg ?› Ich habe meine Arbeit gehabt, bei meiner Firma. Und heute sagen sie ‹Ja, ist eh wahr, Mischka, du hast gearbeitet.› Und warum hat mich der Hitler dann weg und sechs Jahre ins KZ ? Ja, weil der Hitler Zigeuner und Juden nicht mochte.»43 Horvath erzählt von seiner Verhaftung als einer Situation, die vor allem durch eine von ihm empfundene Handlungsunfähigkeit gekennzeichnet war. Deutlich wird dies an der Stelle im Interview, als Horvath den Transport vom Ort der Verhaftung nach Feldbach schildert : «Die SS. Mit dem Lastwagen haben sie sie weggeführt. Und dann nicht stehen, damit sie schauen, wie sie fahren, niedersetzen. Ich habe nicht gesehen, in welche Richtung sie gefah- ren sind. Nur in Feldbach, wo die Bierfabrik war, da von Oberwart. Und die SS, mit Geweh- ren, die sind nur gestanden, Mitfahrer, und sie mussten sitzen, haben nicht geschaut, wo sie fahren.»44 An dieser Stelle rutscht Michael Horvath in der Beschreibung des Transportes von einer Ich-Perspektive in die dritte Person Plural, die sich auf die mit ihm gemeinsam Verhafteten als Gruppe bezieht. In der autobiografischen Narration zeugt der Wechsel in der Verwendung von Personalpronomina, so Michael Pollak, für eine starke Identi- fizierung oder  – im entgegengesetzten Fall  – Distanzierung des Sprechenden von einer Gruppe und sei auch mitunter ein Ausdruck für Situationen der Ohnmacht und des Verlustes der Selbstkontrolle.45 Im Fall Michael Horvaths ist Letzteres anzunehmen. Hatte er bis zum Zeitpunkt seiner Verhaftung durch seine Berufstätigkeit antiziganis- tischen Stereotypen entgegengewirkt, wurde er mit der Verhaftung zu ihrem Opfer. Durch die unangekündigte Festnahme wurde Horvath aus seinem Lebensumfeld regel- recht herausgerissen, und die Fahrt ins Ungewisse bestärkte das Gefühl von Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit gegenüber dem nationalsozialistischen System. Auch Fritz Kleinmanns Erzählung von seiner Verhaftung und Deportation ist ge- prägt von einem Personalpronomenwechsel. Allerdings nicht, wie im Falle Horvaths, von einem Wechsel vom «ich» zum «sie» und einer dadurch zum Ausdruck gebrachten Machtlosigkeit und Distanzierung von den Ereignissen, sondern durch die Aufnahme einer Wir-Erzählung. Im Gegensatz zum handlungsunfähigen «sie» steht nach Pollak 43 Ebd. 44 Ebd. 45 Pollak, Grenzen des Sagbaren, S. 155. Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen Band 2
Titel
Deportiert nach Mauthausen
Band
2
Autoren
Gerhard Botz
Alexander Prenninger
Regina Fritz
Herausgeber
Melanie Dejnega
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21216-4
Abmessungen
16.8 x 23.7 cm
Seiten
716
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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