Seite - 92 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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92 | Peter Hallama
Am Bahnhof Mauthausen angekommen, stand den Gefangenen noch der beschwer-
liche FuĂźweg hinauf ins Lager bevor. VĂt Krombholz erinnert sich daran, plötzlich eine
«riesige steinerne Burg» erblickt zu haben, die ihm wie eine Filmkulisse erschien, er-
kannte dann aber, dass es sich um das Gelände des Konzentrationslagers handelte. «Also
keine Märchenburg, kein Rest einer Filmdekoration, sondern das KZ Mauthausen.»36
In Krombholz’ spannungsgeladener, fast abenteuerlicher Schilderung der Deporta-
tion nach Mauthausen ist keine Passivität zu erkennen. Tapfer gehen die Gefangenen
ihren Weg nach Mauthausen, ja die «Märchenburg» weckt sogar Interesse, auch als
bereits klar wird, dass es sich um ein Konzentrationslager handelt. Passiv Torturen
mĂĽssen allein die Juden auf dem Transport erleiden.
Unter den aus politischen GrĂĽnden nach Mauthausen Deportierten fanden sich
freilich nicht allein Kommunisten. Bekannt ist etwa das Schicksal des Sängers, Schau-
spielers und Liedermachers Karel Hašler. Geboren 1879 bei Prag und ursprünglich
ausgebildet zum Handschuhmacher, war er zunächst an verschiedenen Theatern, unter
anderem in Ljubljana und Prag, tätig, bevor er sich zunehmend dem Kabarett wid-
mete. Als Kabarettist und Komponist zahlreicher volkstĂĽmlicher, oft satirischer Lieder
wurde er im Ersten Weltkrieg und danach breiten Kreisen bekannt. In den 1930er Jah-
ren wandte er sich immer stärker dem Film zu und war als Schauspieler, Regisseur und
Drehbuchautor tätig. Nach 1939 wurde ihm jede Tätigkeit verboten und wegen seiner
patriotischen Liederabende, auf denen er auch Witze und Parodien ĂĽber die deutschen
Okkupanten vortrug, wurde er verfolgt und bereits Anfang 1941 ein erstes Mal fĂĽr
kurze Zeit inhaftiert. Am 2. September 1941, inmitten der Dreharbeiten zu einem Film,
für den Hašler als künstlerischer Berater tätig war, wurde er von der Gestapo «wegen
Vergehens gegen das Heimtückegesetz»37 verhaftet. Man brachte ihn zu Verhören nach
Prag und Dresden, von wo er am 17. Oktober nach Mauthausen deportiert wurde. Dort
starb er im Dezember 1941 an den Folgen der Misshandlungen.38
Eine Welle von Repressionen richtete sich auch gegen die Angestellten der BrĂĽnner
Masaryk-Universität, die wie die anderen tschechischen Hochschulen seit November
1939 geschlossen war. Eine bedeutende Zahl ihrer Professoren und Dozenten aus unter-
schiedlichen Disziplinen wurde Ende 1941 verhaftet und Anfang 1942 nach Mauthausen
36 Ebd., S. 15.
37 Meldung wichtiger staatspolizeilicher Ereignisse vom 24. 9. 1941, zit. nach Jaroslava Milotová/Miroslav
Kárný : Od Neuratha k Heydrichovi. (Na rozhranà okupačnà politiky hitlerovského Německa v «Protek-
torátu Čechy a Morava») [Von Neurath zu Heydrich. (An der Wende der Okkupationspolitik Hitler-
Deutschlands im «Protektorat Böhmen und Mähren»)], in : SbornĂk archivnĂch pracĂ 39.2 (1989), S. 281–
394, hier 374.
38 Rudolf Deyl : PĂsniÄŤkář Karel Hašler [Der Liedersänger Karel Hašler], Praha 1968, besonders S. 176–186
und 224–227 ; Andreas Baumgartner et al. (Hg.) : Der Geist ist frei. 45 Biografien von KünstlerInnen
und WissenschafterInnen im KZ-Mauthausen und Beiträge zum Internationalen Symposium 2007, Bd. 2,
Wien 2008, S. 91 f.; Miloš Fikejz : Český film. Herci a herečky [Tschechischer Film. Schauspieler und
Schauspielerinnen], Bd. 1 : A–K, Praha 2006, S. 367 f.; sowie die Einträge im CSBA.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen