Seite - 95 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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95Kommunisten,
Juden und SS-Angehörige, Tschechen, Deutsche und Ruthenen |
schildert Littloch eine allgemeine solidarische Atmosphäre, selbst unter den Wiener
Passanten : «Diese wussten, wohin sie uns bringen. In ihren Augen haben wir Sympa-
thie und Mitleid gesehen, in den Augen vieler Frauen glitzerten Tränen.»45
Neben dem brutalen Vorgehen gegen den tschechischen Widerstand und die Intel-
ligenz trat mit der Ankunft Reinhard Heydrichs in Prag auch die Verfolgung der Juden
im Protektorat Böhmen und Mähren in ein neues Stadium. Wenige Monate nach
Heyd richs Ernennung zum stellvertretenden Reichsprotektor wurde in Theresienstadt
(Terezín) ein jüdisches Ghetto errichtet und die Massendeportationen im Rahmen der
Shoah – zunächst ins Ghetto Litzmannstadt/Łódź, dann nach Theresienstadt – nah-
men ihren Anfang. Wiewohl Mauthausen zunächst nicht primäres Ziel der jüdischen
Deportationen war, wurden zahlreiche tschechische Juden hierher gebracht, wo sie un-
ter härtesten Bedingungen in der Regel sehr bald zu Tode gequält wurden.
Ein leitender Mitarbeiter der Prager jüdischen Gemeinde, die zunehmend aller
Eigen
ständigkeit beraubt wurde, war in dieser Zeit Hanuš Bonn. Bonn, ein Dichter,
Publizist und Übersetzer, geboren am 5. Juli 1913 in Teplitz-Schönau, besuchte in Prag
das Realgymnasium und schloss 1938 ebendort sein Jura-Studium ab. Zwei Jahre zu-
vor erschien sein erster Gedichtband Tolik krajin (So viel Landschaften). Anders als
seine Eltern, die sich einem deutsch-jüdischen Umfeld zugehörig fühlten, engagierte
er sich in der tschechisch-jüdischen Bewegung. Nach der Errichtung des Protektorats
Böhmen und Mähren wurde Bonn Leiter der Auswanderungsabteilung der Jüdischen
Kultusgemeinde in Prag, die schließlich auch für die Zusammenstellung der Trans-
porte nach Litzmannstadt und Theresienstadt zuständig war. Er heiratete im Herbst
1939 Eva Bergmannová, die den Zweiten Weltkrieg als Theresienstadt-Häftling überle-
ben sollte. Im Oktober 1941, eine Woche vor den ersten Deportationen tschechischer
Juden ins Ghetto Litzmannstadt, wurde Hanuš Bonn und seinem Stellvertreter Emil
Kafka vorgeworfen, die Zusammenstellung der Transporte zu verzögern und somit
die Vorbereitung der Massendeportationen tschechischer Juden zu sabotieren. Beide
wurden festgenommen, im Prager Gefängnis Pankrác inhaftiert und nach Mauthausen
deportiert, wo sie noch im selben Monat ermordet wurden.46
Das Attentat auf Reinhard Heydrich
Nachdem Reinhard Heydrich am 4. Juni 1942 den Folgen eines Attentates erlegen war,
das tschechische Widerstandskämpfer eine Woche zuvor verübt hatten, erfasste das
45 Ebd., S. 15. Zur Person Littlochs siehe auch den Eintrag im CSBA.
46 Anita Franková : Hanuš Bonn, in : Theresienstädter Studien und Dokumente 7 (2000), S. 215–226 ; H. G.
Adler : Theresienstadt 1941–1945. Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft. Geschichte, Soziologie, Psy-
chologie, Tübingen 21960 [1955], S. 20 ; Tomeš, Český biografický slovník, Bd. 1, S. 116 f.; sowie die Ein-
träge im CSBA und im Jüdischen Biographischen Archiv (JBA), online über das WBIS (12. 5. 2011).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen