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96 | Peter Hallama
Protektorat Böhmen und Mähren eine weitere Terrorwelle : die «Heydrichiade».47 Un-
ter Heydrichs Nachfolger Kurt Daluege und dem Staatsminister für Böhmen und Mäh-
ren Karl Hermann Frank48 wurden unmittelbar nach dem Anschlag der Ausnahme-
zustand ausgerufen, eine großräumige Suche nach den Attentätern eingeleitet und
Vergeltungsmaßnahmen getroffen. Selbst wenn Hitlers Befehl, «[a]ls Sühnemaßnahme
[…] 10 000 verdächtige Tschechen oder solche, die politisch etwas auf dem Kerbholz
haben, zu ergreifen bzw. soweit sie bereits in Haft sind, in den Konzentrationslagern
zu erschießen»,49 nicht ausgeführt wurde, erfolgten noch vor dem Tod Heydrichs erste
Erschießungen und Verhaftungen. Die Dörfer Lidice und Ležáky wurden im Juni 1942
völlig zerstört, die Einwohner ermordet oder in Konzentrationslager deportiert. Bis
Anfang September wurden über 3000 Tschechen verhaftet und über 1300 von Stand-
gerichten zum Tode verurteilt.50
Viele der Exekutionen wurden im KZ Mauthausen durchgeführt, darunter auch die
erste Massenhinrichtung von Frauen in Mauthausen : Am 24. Oktober 1942 wurden
ungefähr 130 tschechische Frauen und 130 Männer, Familienangehörige der Attentä-
ter und ihrer vermeintlichen Helfer, die aus der Kleinen Festung Theresienstadt nach
Mauthausen deportiert worden waren, ermordet.51
Nicht alle in dieser Zeit nach Mauthausen Deportierten wurden jedoch sofort ge-
tötet. Miloslav Čeřenský aus Pardubice, dessen gesamte Familie sich dem Widerstand
angeschlossen hatte, wurde unmittelbar nach dem Heydrich-Attentat Anfang Juni
1942 verhaftet. Der ältere Bruder war bereits 1940 emigriert und hatte sich den tsche-
choslowakischen militärischen Einheiten im Exil angeschlossen. Während der Vater
in Pardubice erschossen wurde, brachte man Miloslav Čeřenský nach zwei Monaten
Haft ebendort in das Prager Gefängnis Pankrác. Von dort überstellte man ihn Anfang
August 1942 nach Mauthausen. An den Transport von Prag nach Mauthausen erinnert
sich Čeřenský folgendermaßen :
«Dort gab es ein Erlebnis, so ein interessantes, aber persönliches Erlebnis. Wir fuhren im Zug,
wir waren hungrig, müde
– ist der Mensch hungrig, ist er müde. Ich bin im Zug eingeschlafen
47 Der Begriff «Heydrichiade» wird manchmal auch zur Kennzeichnung der Zeit Reinhard Heydrichs in
Prag verwendet, so etwa in Ústav dějin Komunistické strany Československa (Hg.) : Příruční slovník k
dějinám KSČ, Bd. 1, S. 228 f.
48 Zur Frage des entscheidenden Einflusses auf die Protektoratspolitik und den Machtkampf zwischen
Frank und Daluege neben Brandes, Die Tschechen, Teil
II, S. 10–17, jüngst Küpper, Karl Hermann Frank,
besonders S. 261–267.
49 Zit. nach Brandes, Die Tschechen, Teil I, S. 254.
50 Brandes, Die Tschechen, Teil I, S. 251–267 ; Amort, Heydrichiáda ; Küpper, Karl Hermann Frank, S. 268–
279. Karel Nosek schätzt die Zahl der Tschechen, die allein während der «Heydrichiade» ins KZ Maut-
hausen deportiert worden waren, auf 3200 ; Nosek, Krvavé kaskády, o. S., Fn. 14.
51 Andreas Baumgartner : Die vergessenen Frauen von Mauthausen. Die weiblichen Häftlinge des Kon-
zentrationslagers Mauthausen und ihre Geschichte, Wien 1997, S. 103 ; Amort, Heydrichiáda, S. 61–63 ;
Maršálek, Geschichte, S. 305.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen