Seite - 97 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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97Kommunisten,
Juden und SS-Angehörige, Tschechen, Deutsche und Ruthenen |
und als ich/ und ich träumte, als ob ich fahren würde
– denn ich war Skiläufer und wir fuhren
zum Skifahren in der Ersten Republik und im Protektorat/ mit dem Zug, also träumte ich,
dass ich vom Skifahren mit dem Zug zurückfahre und zu Hause wartet auf mich ein warmes
Heim, warmes Abendessen, Mama, Papa. Und plötzlich bin ich aufgewacht und ich war in der
Station Kaplitz, einer Grenzstation. Kaplitz – zwischen dem Protektorat und dem Deutschen
Reich – Kaplitz. Also so.»52
Seine Träume halfen Čeřenský, einem jungen Mann von 24 Jahren, als er nach Maut-
hausen deportiert wurde, Kraft zu schöpfen. Die oft als heil dargestellte Erste Tsche-
choslowakische Republik diente ihm als Anker, um seine Illusionen aufrechtzuerhalten.
Auch Štěpán Trochta, nach 1945 Bischof von Leitmeritz (Litoměřice) und schließ-
lich Kardinal, überlebte den Krieg in Mauthausen und Dachau. 1905 im Osten Mäh-
rens als ältestes von drei Kindern einer bescheidenen Bauernfamilie geboren, verlor
er mit sieben Jahren seinen Vater. Nach dem Ersten Weltkrieg ging er auf das Erzbi-
schöfliche Gymnasium in Kremsier (Kroměříž), das er jedoch unterbrechen musste,
um seiner kranken Mutter im Haushalt zu helfen. Schließlich fand er Aufnahme bei
den Salesianern Don Boscos in Turin, wo er 1932 zum Priester geweiht wurde und
sein Theologiestudium mit einem Doktorat abschloss. Noch im selben Jahr wurde er
nach Mähren entsandt, wo er am Aufbau eines salesianischen Gymnasiums in Fryšták
(Freistadtl), der ersten Niederlassung der Salesianer in der Tschechoslowakei, mit-
arbeitete. Mitte der 1930er Jahre wurde er im Dienste der Ordensgemeinschaft nach
Prag berufen. Trochtas Arbeit unter der tschechischen Jugend und in katholischen Ju-
gendverbänden sowie seine Unterstützung von Verfolgten und Widerstandskämpfern
ließen ihn in den Augen der Nationalsozialisten verdächtig erscheinen. So wurde er
bereits 1940 von der Gestapo verhaftet, bald aber wieder entlassen. Ende Mai 1942,
unmittelbar nach dem Attentat auf Heydrich, wurde Trochta neuerlich festgenommen,
in der Prager Pečkárna, dem Sitz der Gestapo im Petschek-Palais, sowie im Gefängnis
Pankrác verhört und schließlich in die Kleine Festung Theresienstadt gebracht. Nach
wenigen Monaten, Ende September 1942, wurde er ins Konzentrationslager Mauthau-
sen überstellt, wo er bis Ende 1944 blieb, als man ihn nach Dachau brachte.53
Den Transport von Theresienstadt nach Mauthausen bestritt Trochta, seinen Erin-
nerungen zufolge, als einziger Häftling der Kleinen Festung. In seinem Waggon hätten
sich allerdings Häftlinge aus anderen Lagern befunden, darunter tschechische Juden.
52 AMM, MSDP, OH/ZP1/810, Interview mit Miloslav Čeřenský, Interviewerin : Jana Drdlová, Pardubice,
16. 2. 2003, Übersetzung, S. 12. Zu Miloslav Čeřenský siehe auch das Interview mit ihm im tschechischen
Radio Český rozhlas Pardubice am 25. 10. 2005, URL : http://www.rozhlas.cz/pardubice/mamehosty/_zp
rava/mita-cerensky--198061 (28. 9. 2020).
53 Ludvik Nemec : Štěpán Cardinal Trochta, a Steadfast Defender of the Church in Czechoslovakia, in : The
Catholic Historical Review 64.4 (1978), S. 644–659 ; Tomeš, Český biografický slovník, Bd. 3, S. 375 f.;
Churaň et al., Kdo byl kdo, Bd. 2, S. 231 f.
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen