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100 | Peter Hallama
Aus dem Ausland nach Mauthausen
Viele tschechische Häftlinge gelangten erst über diverse Umwege nach Mauthausen –
nicht nur ĂĽber andere Konzentrationslager, sondern auch ĂĽber das westliche Ausland.
Artur «Gérard» London beispielsweise, in den 1930er Jahren in der kommunisti-
schen Jugend in seiner Geburtsstadt Ostrau tätig, verließ die Tschechoslowakei bereits
1934, um zunächst in der Sowjetunion für die Komintern tätig zu sein und ab 1937 –
wie übrigens auch seine Landsmänner Osvald Závodský und Leopold Hoffmann, die
er in Mauthausen wiedersehen sollte58 – im Spanischen Bürgerkrieg für die Internatio-
nalen Brigaden zu kämpfen. Seit 1939 lebte er in Frankreich, wo er sich gemeinsam
mit seiner Frau Lise der Résistance anschloss. Beide wurden im August 1942 in Paris
verhaftet und voneinander getrennt, Artur London schließlich als «Nacht-und-Nebel-
Häftling» in das Deutsche Reich verschleppt. Über das Gestapo-Lager Neue Bremm in
SaarbrĂĽcken kam er in einem Transport mit 50Â
Mitgefangenen am 26. März 1944 nach
Mauthausen. Es war, wie er schreibt,
«eine lange, viertägige Reise ohne Essen oder Trinken. Wir sind am Ende unserer Kräfte,
als wir, nach einem sechs Kilometer langen Zwangsmarsch, zu unserer Rechten die dĂĽstere
Masse einer Art Festung erkennen, deren hohe TĂĽrme und erschreckende Mauern sich von
einem schieferblauen Himmel abhoben. Die umherwirbelnden Schneeflocken und der heu-
lende Wind auf diesem Hochplateau, das das österreichische Sibirien genannt wird, geben der
Landschaft einen unwirklichen Aspekt.»59
Einen anderen Weg ist Libor Zapletal gegangen. In Südmähren aufgewachsen, erlebte
er die Folgen des MĂĽnchner Abkommens 1938 hautnah : Sein letztes Schuljahr konnte
er nicht mehr in Břeclav (Lundenburg), nun Teil des Gaues Niederdonau, absolvieren,
sondern legte sein Abitur im unweiten HodonĂn (Göding) ab. Es war ihm gerade noch
möglich, sich an der Brünner Technischen Universität für ein Studium einzuschrei-
ben, bevor die Universität im November 1939 geschlossen wurde. Libor Zapletal fand
Arbeit bei der BrĂĽnner Post, flĂĽchtete jedoch bereits im FrĂĽhjahr 1940 mit einigen
Freunden und MitschĂĽlern ĂĽber die Slowakei, Ungarn, Jugoslawien, die TĂĽrkei und
58 Siehe zu Leopold Hoffmann (auch als Hoffman oder Hofman) Artur London : L’aveu. Dans l’engrenage du
Procès de Prague [Das Geständnis. Im Räderwerk des Prager Prozesses], [Paris] 1968, S. 225 ; Fabréguet,
Mauthausen, S. 570. Zu Osvald Závodský siehe Karel Bartošek : Zpráva o putovánà v komunistických ar-
chivech. Praha – PaĹ™ĂĹľ (1948–1968) [Bericht ĂĽber die Wanderung durch die kommunistischen Archive.
Prag – Paris (1948–1968)], Praha/Litomyšl 2000, S. 39 und passim.
59 London, L’aveu, S. 223 f. Zu Artur London siehe ferner Bartošek, Zpráva o putovánĂ, besonders S. 37–92 ;
Fabréguet, Mauthausen, S. 569 f.; Muriel Blaive : Une déstalinisation manquée. Tchécoslovaquie 1956.
Préface de Krzysztof Pomian, Bruxelles 2005 (Histoire du temps présent), besonders S. 106 f.; Tomeš,
ÄŚeskĂ˝ biografickĂ˝ slovnĂk, Bd. 2, S. 287 ; sowie die Einträge im CSBA und JBA.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen