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Deportiert nach Mauthausen, Band 2
Seite - 116 -
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116 | Piotr Filipkowski dung waren, die unsere Gesprächspartner genossen. Für die Generation ihrer Eltern und Großeltern  – die für diese Erziehung verantwortliche Generation  – bedeutete das Jahr 1918 (und danach 1919 und 1920) einen bedeutsamen Umbruch im Leben. Die Wichtigkeit dieses Umbruchs übertrugen sie auf die Kinder. Auch der Staat, der mit Mühe und im Kampf seine Souveränität erlangte und seine Grenzen festlegte, stützte später seine Identität auf diesen «Gründungsmythos». Ein Teil dieses Mythos war etwa die Gestalt von Marschall Józef Piłsudski, der die Unab- hän gigkeit erkämpft hatte. Der Piłsudski-Kult ist ein wichtiges und oft wiederkehren- des Motiv in den Erinnerungen an das Leben im Vorkriegspolen. Er ist auch in den Berichten der Überlebenden von Mauthausen stark präsent. Aber in diesen Berichten kann man auch Beispiele von Personen finden, die in Opposition zu diesem Kult10 erzogen wurden. Diese Art Erziehung stützt sich ebenfalls auf nationale und patrio- tische Werte  – auch wenn sie links ist. Die Hochachtung für die 1918 wiedererlangte Staatlichkeit ist also ein gemeinsames Motiv in den Erzählungen der Zeitzeugen aus Mauthausen. So ist der Wehrdienst im polnischen Heer der Zwischenkriegszeit für viele ein wichtiges Element der patriotischen Erziehung und eine überaus ernst zu nehmende Sache. Manche träumten von einer Militärkarriere. Der Kriegsausbruch 1939 machte diese Träume zunichte. Viele waren auch desillusioniert, wurde doch klar, welch falsches Bild von der Stärke des polnischen Militärs die Vorkriegspropaganda aufgebaut hatte, wovon nicht wenige sich am eigenen Leib überzeugen mussten. In den Erinnerungen polnischer Mauthausen-Häftlinge, die im September 1939 als Soldaten gekämpft haben, ist diese Enttäuschung stark spürbar. Soziale Ungleichheiten Obwohl viele Zeitzeugen ihre polnische Heimat schätzten und liebten, kritisierten sie trotzdem stark verschiedene Institutionen ihres Staates und noch häufiger seine all- gemeine Ohnmacht, deren sichtbarstes und spürbarstes Symptom die Armut war. Sie gehörte zum Alltag eines beträchtlichen Teils unserer Gesprächspartner, die sich sehr gut daran erinnerten, da sie als Schatten über ihrer Kindheit lastete und häufig ein wichtiger Bezugspunkt für das spätere Schicksal, auch das Leben im Lager, darstellte. Sie wird dann als Abhärtung für das schwierige Leben interpretiert. Es gibt auch einige wenige Erzählungen, in denen die Armut  – oder eher die Not  – zum Zentralmotiv der gesamten Biografie wird. Das Lager wird hier zur extremen Not.11 10 Im Vorwort seines Essaybandes über die Zwischenkriegszeit schreibt Czesław Miłosz : «Wie ich in mei- nem Buch ausführe, war für das Verständnis der Zeit zwischen 1918 bis 1939 die Spaltung in Befürworter und Gegner Piłsudskis ausschlaggebend.» Czesław Miłosz : Wyprawa w dwudziestolecie [Eine Reise zwi- schen den Kriegen], Kraków 1999, S. 7. 11 Siehe z. B. die Interviews mit Stanisław Lada (AMM, MSDP, OH/ZP1/599), Benedykt Lech (AMM, Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen Band 2
Titel
Deportiert nach Mauthausen
Band
2
Autoren
Gerhard Botz
Alexander Prenninger
Regina Fritz
Herausgeber
Melanie Dejnega
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21216-4
Abmessungen
16.8 x 23.7 cm
Seiten
716
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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