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Deportiert nach Mauthausen, Band 2
Seite - 117 -
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117Biografische Hintergründe und präkonzentrationäre Identitäten von polnischen Deportierten | Diese Armut in der Vorkriegszeit trifft natürlich nicht auf alle Zeitzeugen zu, sie ist eher Ausdruck der sozialen Schichtung in jener Zeit. Ich habe hier bereits die Intelli- genz als die einheitlichste Gruppe der polnischen Mauthausen-Häftlinge erwähnt. Sie waren in der Regel (obwohl nicht immer) weniger armutsgefährdet als andere Grup- pen, besonders jene, die ihre Zugehörigkeit zur Intelligenz von ihren Eltern «geerbt» hatten. Im Polen der Zwischenkriegszeit war Bildung nicht billig. Nur die Grundschule war kostenlos  – alle weiterführenden Schulen waren ziemlich teuer. Oft wird berichtet, dass sich Eltern wegen der Höhe des monatlichen Schulgeldes gegen eine weiterfüh- rende Bildung des Kindes entschieden, auch wenn das Kind dies wollte und begabt war. Geldmangel war die Hauptursache, eigentlich die einzige Ursache dafür, dass eine mittlere Schulbildung für viele unmöglich war. In den Berichten der Zeitzeugen werden zwei Hauptgründe für die Armut genannt. Entweder ist sie ererbt, also «schon seit jeher» da, ist insofern eine Bestimmung und kann nur schwer überwunden werden. Oder, und dies ist häufiger der Fall, die Armut kommt plötzlich und von außen, ist durch Krieg (den Ersten Weltkrieg oder den Pol- nisch-Sowjetischen Krieg von 1920) oder durch Arbeitslosigkeit verursacht. Ein häu- figes und sehr deutliches Motiv in den Erzählungen über die Kindheit und Jugend vor dem Krieg ist der Bericht über die Arbeitslosigkeit der Väter, der älteren Brüder oder der Zeitzeugen selbst  – zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn. Neben der bereits erwähnten polnischen Intelligenz (und ihren Kindern) kamen  – besonders in den späteren Kriegsjahren  – auch polnische Handwerker, Kaufleute, kleine Beamte, Polizisten, Eisenbahner, Arbeiter und Bauern nach Mauthausen. Und auch ihre Söhne, die gerade dabei waren, ähnliche soziale und berufliche Stellungen einzunehmen, oder diese einnehmen sollten. Das war die größte Gruppe der von uns Interviewten. Die Häftlinge kamen also aus völlig unterschiedlichen sozialen Schichten. Man muss diese Unterschiede betonen, nicht, um sie zu katalogisieren, sondern um zu zeigen, über welch unterschiedliches soziales und kulturelles Potenzial die polnischen Häftlinge verfügten und in welch unterschiedlichem Habitus sie steckten. Einige konn- ten mehrere Fremdsprachen, inklusive der in diesem Moment wichtigsten  – der deut- schen. Andere sprachen nur einen regionalen polnischen Dialekt. Die einen kamen in einer Gruppe von Gleichgesinnten ins Lager, manchmal sogar von Bekannten, andere waren völlig einsam, kannten niemanden und konnten nicht mit Unterstützung rech- nen. Manche verfügten über zahlreiche Fähigkeiten oder hatten einen Beruf, der im Lager nützlich war, andere hatten kein solches Kapital. Aus den Berichten der polnischen Überlebenden  – besser gesagt aus den verschie- denen Blickwinkeln dieser Berichte  – kann man sehen, wie die sozialen Ungleichhei- ten, Teilungen und Klüfte (manchmal sogar Spannungen) ins Lager mit hineingetragen wurden. Und wie sie danach in Freiheit wieder auflebten. Diese Prozesse erfolgten nur MSDP, OH/ZP1/729), Tadeusz Czech (AMM, MSDP, OH/ZP1/743) oder Stefan Biegas (AMM, MSDP, OH/ZP1/766). Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen Band 2
Titel
Deportiert nach Mauthausen
Band
2
Autoren
Gerhard Botz
Alexander Prenninger
Regina Fritz
Herausgeber
Melanie Dejnega
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21216-4
Abmessungen
16.8 x 23.7 cm
Seiten
716
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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