Seite - 135 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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135Biografische
Hintergründe und präkonzentrationäre Identitäten von polnischen Deportierten |
hat mich so stark geschlagen, dass ich hier eine Ohrverletzung habe […]. Ich sage Ihnen ehr-
lich, dass ich fast froh war, wie ich ins Lager [Pause] gefahren bin, weil ich bei der Gestapo der
Folter und dem Todesurteil entgangen bin. Weil ja einige meiner Kameraden in Pomiechówek
zum Tod verurteilt und gehängt worden sind. So das ich froh war, vielleicht … [Seufzen].»45
Einige unserer Gesprächspartner wie Ludwik Kosiarski hatten noch weniger Glück –
sie wurden von der Gestapo mehrmals verhört und gefoltert. Die Erinnerung an jene
extremen traumatischen Erfahrungen ist nach wie vor sehr stark :
«Erst brachten sie mich nach Tarnogród und von Tarnogród nach Biłgoraj. Und hier begann
die Hölle, ein Verhör, das man sich gar nicht vorstellen kann […]. Im Gefängnis saßen die
Politischen in einer Zelle. Unsere Tür war offen, Tag und Nacht. Am Tag durften wir nach
draußen, spazieren, während die andern diese Privilegien nicht hatten. Aber dafür machten
die andern die Verhöre nicht mit wie wir. […]»
«Ich hatte Handschellen, vorne. Der Untersuchungsoffizier zeigte mir eine der Untergrund-
zeitungen, die ich verteilt hatte. Er sagte, die hätte ich dem Dorfschulzen von Jastrzębiec und
anderen Personen gegeben. Ich habe natürlich gesagt, ich sähe so eine Zeitung zum ersten
Mal. Dann begannen die Schläge. Ich bekam sicher dreihundert Schläge auf den Kopf. Das
waren keine Schläge mit der Hand, mit dem Knüppel, das waren Schläge, die ich auch heute
nicht beschreiben kann. Wie mit einer Knute. Ich wurde von hinten geschlagen, sodass ich
mich nicht umdrehen konnte, um zu sehen, wer mich schlug. Diese Knute traf mich am Hin-
terkopf und verursachte einen Knall, als würde jemand mit der Peitsche schnalzen. Wenn ich
mich umdrehen wollte, wichen sie nach hinten aus. Und vor mir der SS-Offizier – auf dem
Tisch eine Pistole und ein Familienfoto. Als dieses zwei-, dreistündige Verhör kein Ergebnis
brachte, führten sie mich in die Gefängniszelle zurück. […] Zum ersten, zweiten, dritten Ver-
hör konnte ich noch aus eigenen Kräften gehen. Hinter mir ging immer ein Soldat mit einem
Gewehr. Ich wünschte, er würde mich erschießen, denn ich konnte diese Foltern nicht mehr
aushalten. Sie schlugen mich auf den Kopf, den Rücken, die Beine, den Bauch, überall hin. Ich
war ganz dunkelblau. Die Haut platzte auf, es bildeten sich Schorf und Wunden. In der Zelle
wuschen mich meine Mitgefangenen und zogen mich an. Und sie redeten mir zu, ich solle
sagen, was sie wollen, damit sie aufhören, mich zu schlagen. Die Wäsche klebte an den Wun-
den. Man schickte sie nach Hause, aber dort versteckte man sie vor meiner Mutter. Als man
mir auf die Fersen schlug, pinkelte ich Blut. Ich wurde auch mit Wasser gefoltert. Man legte
mich auf zwei Stühle, öffnete einen Wasserhahn mit Wasser, dem Ammoniak beigemischt
war. Das goss man mir mal durch die Nase, mal durch den Mund. Obwohl das Wasser meine
Nasenscheidewand angriff und eine starke Blutung hervorrief, erstickte ich nicht daran, weil
wenn mein Kopf nach unten hing, floss das Wasser zusammen mit dem Blut aus meinem
45 AMM, MSDP, OH/ZP1/558, Interview mit Zbigniew Tłuchowski, Interviewer : Piotr Filipkowski, Płock,
6. 10. 2002.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen