Seite - 136 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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136 | Piotr Filipkowski
Mund. Das brachte auch keine Ergebnisse. Wenn ich in die Zelle zurückkam, sagten mir die
Häftlinge, das könne nicht so weitergehen. Wenn es eine harmlose Sache sei, dann soll ich
lieber alles zugeben. Aber ich sagte : Was soll ich zugeben, wenn er mir eine Zeitung zeigt, die
ich nie im Leben gesehen habe ? Denn ich begann zu vermuten, dass etwas nicht in Ordnung
ist, dass vielleicht jemand aus der Zelle Informationen weitergibt.»46
Hier folgen weitere, ebenso naturalistische Beschreibungen zahlreicher Foltern. Das
Ende der Misshandlungen kam erst mit der Verlegung in das Gefängnis im Schloss
Lublin, dann in das Lager Majdanek und später über Auschwitz nach Mauthausen und
Gusen.
Ein Konzentrationslager, sogar ein solches wie Gusen, kann also im autobiografi-
schen Gedächtnis als ein besserer Ort eingeschrieben sein als andere schlimme Folter-
stätten (Gestapogefängnis, Zuchthaus). Im Lager sind die Überlebenschancen größer,
man ist unter seinesgleichen, unter Kameraden, die helfen können und deren bloße
Anwesenheit schon hilfreich ist. Denn es geht ja nicht nur darum, von körperlichen
Foltern loszukommen (an solchen mangelte es im Lager nicht und der Autor des obi-
gen Berichts musste sie oft erleiden), sondern auch von psychischen Foltern. Der Zeit-
zeuge Józef Nowak hat diese Empfindung sehr treffend beschrieben. Er wurde nicht
gefoltert. Bevor er jedoch nach Auschwitz, danach nach Mauthausen und in dessen
Außenlager kam, wurde er fast eineinhalb Jahre in einer Einzelzelle in Opole (Oppeln)
festgehalten. In seinem Bericht formuliert er das so :
«Na und dann habe ich gesessen, gesessen und gesessen. Ich war in so einer kümmerlichen
Verfassung, dass ich später, bevor wir nach Auschwitz fuhren, als man uns in einer Zelle ver-
sammelt hatte, nicht einmal mehr lächeln konnte. Gar nichts./ Man kann nicht / man kann
gar nicht // Das muss man erlebt haben, um zu wissen, das Gefühl zu kennen […] Ich habe
keinen getroffen/ jedenfalls habe ich niemals jemanden getroffen, mit jemanden gesprochen,
der mehr als ein Jahr allein gesessen hat. So dass … / dann dieses Auschwitz, auch nicht sehr
lange, dann der Transport nach Mauthausen.»
Und auf meine Frage nach dem Gefängnisalltag antwortet er :
«Na und ich habe diese Federn geschleißt. […] Das war ein Segen. Da gibt es ganz andere
Geschichten, psychologische Geschichten, also diese verschiedenen Überlegungen … / Und
die zehn Gebote und woran ich alles gedacht habe
…
/ Und einmal, da war so ein Vorfall, weil
den Polen gaben sie keine Bücher zum Lesen, nicht so wie jetzt im Häfn, wissen Sie, Fern-
sehen und alles … Also ich öffne die Tür – ein Buch. Ich schnappte danach. Den Deutschen
gaben sie Bücher zum Lesen. Und dieses Buch, das war die Wochenzeitschrift Las [Wald], ein
46 AMM, MSDP, OH/ZP1/746, Interview mit Ludwik Kosiarski, Interviewer : Tomasz Gleb, Bielsko-Biała,
29. 9./18. 10. 2002.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen