Seite - 139 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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139Biografische
Hintergründe und präkonzentrationäre Identitäten von polnischen Deportierten |
Dieser Zeitzeuge hat nahezu sein ganzes Leben in einem kleinen Dorf in Podlasien (an
der heutigen polnisch-weißrussischen Grenze) in einer kinderreichen Familie zugebracht.
Das Hauptmotiv in seiner Erzählung über das Leben vor der Lagerhaft ist Armut, oder
eher Not. Das ist ein Beispiel der «dörflichen» oder «bäuerlichen» Variante dieser Gruppe.
Aufschlussreich ist auch ein anderes Fragment aus dem Interview mit Teofil Płonka
aus derselben Zeitzeugengruppe, diesmal über die Schulzeit. Hier wird die allgemeine
Aussage durch eine sehr konkrete, deutliche Erinnerung untermauert :
«Da war so eine Lehrerin, die konnte ich nicht leiden, in der vierten Klasse, weil sie
…
/ na ich
weiß nicht, weil andere Kinder, von reichen Eltern, die gaben Geschenke/ ein Huhn, dieses,
jenes, und ich war arm, ich konnte ihr nichts geben. Da war ich benachteiligt. Und ab der
fünften Klasse, da war ich bei einer anderen Lehrerin, die war gut. Aber ich durfte nicht, weil
es zwei vierte Klassen gab. Also : ‹Du warst dort ? Geh dorthin zurück !› In die fünfte haben
sie mich nicht genommen. Und mein Vater war noch zufrieden, dass ich da nicht hingehen
wollte. Und es verging eine Woche, eine zweite. Ich bin nicht mehr in die Schule gegangen
und so war das. Verstehen Sie ? So waren die Zeiten vor dem Krieg.»49
Sylwin Jóźwiak, dessen Bericht ich derselben Gruppe zuzähle (obwohl es sich hier um
eine städtische Variante handelt), schildert seine Erlebnisse während des Kriegs, bevor
er nach Mauthausen kam, folgendermaßen :
«Und da war ich mit der Grundschule fertig und ich wollte in eine höhere Schule gehen/ ich
weiß genau, in ein Gymnasium, aber dann ist der Krieg ausgebrochen. Der Krieg ist ausge-
brochen, das war schon 1939.»
«1939 war ich in der Schule in Łódź. Dann haben sie uns von dort nach Radomsko umgesiedelt.
In Radomsko lebte ich kurz, gleich nach dem Septemberfeldzug. Und dort wurde ich festge-
nommen, in einer Razzia, alle Kinder, die in die Schule gingen, ich weiß noch, die haben die
Deutschen zur Zwangsarbeit geschickt. 1940 war ich in Berlin. Sie brachten uns nach Deutsch-
land, wir haben gelernt, ich kann mich erinnern, das war die siebente Klasse. Und sie luden
uns auf einen Lastwagen und brachten uns nach Deutschland, zur Zwangsarbeit. Ich wurde am
7. März 1940 verhaftet. Ich landete in Güstrow, das liegt heute [sic !] in der DDR. Wir arbeiteten
in so einem Schloss, in der Gärtnerei. Ich habe dort, glaube ich, ein halbes Jahr gearbeitet/ich
weiß es nicht mehr genau. Dann, nach diesem halben Jahr, brachten sie mich nach Schwerin.
Das war so 200 Kilometer von Güstrow entfernt. Dort war ich Sklave, so wie hier. In einem
Elektrizitätswerk, wo wir auf Loren Koks beförderten, zum Verheizen. Von dort kam ich nach
Hamburg, nach einem halben Jahr. Nach Hamburg, aber zu einem Platz, ich saß dort vier Tage
im Gefängnis, ich weiß, das war die Stadtpolizei. Nach 4 Tagen brachten sie mich nach Neuen-
49 AMM, MSDP, OH/ZP1/374, Interview mit Teofil Płonka, Interviewer : Piotr Filipkowski, Rędziny, 4. 8.
2002.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen