Seite - 142 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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142 | Piotr Filipkowski
kennenzulernen, als Möglichkeit einer leichteren Arbeit als zu Hause. Hier ein Beispiel
aus dem Interview mit Antoni Żak :
«Man wollte weg, in die Welt ziehen, wenn man halt jung ist – nicht nur ich, ich glaube aus
meinem Dorf waren wir so fünfzehn, aus andern Dörfern auch. In die Welt gehen. […] Der
Dorfschulze ging von Haus zu Haus, wo viele Kinder waren. Und bei mir, da war ein großer
Bruder, der war schon, und der jüngere, der war gerade recht, das war ich. Was konnte man
machen, einen musste man hergeben, musste fahren. Und das war ich, ich konnte weg.»52
Die Verhaftung selbst ist in den Schilderungen dieser «Antihelden» nicht so aus-
drucksstark wie in den eher «heroischen» und «patriotischen» Erzählungen der Unter-
grundkämpfer, die während einer Aktion erwischt oder denunziert wurden. Solche
Bilder prägten sich bei diesen ein und wurden im Gedächtnis gepflegt, schon deshalb,
da sie oft wiedergegeben wurden. Sie sind oft Wendepunkte in der Biografie, die zwei
konträre Lebensabschnitte voneinander trennen. Sie markieren deutlich den Beginn
einer neuen Verlaufskurve und spielen eine Schlüsselrolle für die Identität der Erzähler,
dafür, ihren Gefängnis- und Lagererlebnissen einen Sinn zuzumessen. Bei den «Anti-
helden» hingegen stellen sie lediglich eine biografische Episode dar, eine hoffnungslose
Situation, von denen es davor und danach noch viele gab. Sie sehen keine Veranlassung,
bei diesem Detail länger zu verweilen und ihm ein größeres Gewicht beizumessen als
anderen Ereignissen. Nochmals Teofil Płonka :
«Ich war 20, 19
Jahre alt, wissen Sie, wie ich, da war der so genannte Baudienst, wissen Sie, was
das war, der Baudienst ? Das war, wie der ‹Dienst für Polen›53 nach dem Zweiten Weltkrieg,
nur bei den Deutschen. Alle jungen Leute im Alter … mussten zum Baudienst. Ich / mich
haben sie auch geholt und ich bin geflüchtet und habe mich hier versteckt. Nicht so versteckt,
wie später … […] Da war ein Volksdeutscher, der wusste, dass ich zu Hause bin. Eigentlich
war alles schon gut und ruhig. Und dann holten sie uns alle drei – meine zwei Brüder und
mich. Die Gendarmen kamen in der Nacht, umstellten das Haus zusammen mit der pol-
nischen Polizei. Die haben geglaubt, wir sind bei den Partisanen. Wir waren nicht bei den
Partisanen, also kann ich nicht sagen, dass ich bei den Partisanen war, wenn wir nicht waren.
Weil damals gab es noch keine Partisanen, das waren alles nur Diebe. […]»
«Und bis zum 14. September saß ich im Gefängnis, weil später/sie sollten uns freilassen, weil
einen Bruder haben sie freigelassen, weil er hat in Radomsko gearbeitet, wissen Sie, und
der Direktor, der Deutsche, von diesem Betrieb ist zu den Gendarmen/ Und ihn haben sie
52 AMM, MSDP, OH/ZP1/741, Interview Żak.
53 Der ‹Dienst für Polen› (Służba Polsce) war eine paramilitärische Organisation von 1948 bis 1955, in der
Jugendliche eine Berufs- und militärische Ausbildung und Sportunterricht erhielten, aber verpflichtet
waren, regelmäßige Arbeit zu leisten.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen