Seite - 165 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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165Erlebnisse
spanischer Republikaner auf dem Weg nach Mauthausen |
Knochen heraussuchen, wir mussten das Buntglas und das Weißglas heraussuchen. Und
all das wurde zum Trocknen nach draußen gelegt, auf einen kleinen Haufen da. Und die
Blechdosen wurden auch gesammelt. Dann, denn wir waren da nicht so heikel, ließ man die
Schweine heran und ließ sie alles fressen, was noch im Müll war.»40
Fast alle sind noch in jungen Jahren – meist durch das familiäre Umfeld, besonders
durch die älteren Brüder, unterstützt
– der kommunistischen oder der anarchistischen
Jugend beigetreten bzw. haben sich dort aktiv engagiert, oder sie haben mit dem gemä-
ßigten republikanischen Reformismus sympathisiert.
Ihre ideologische Zugehörigkeit war es, die sie zuerst nach Frankreich ins Exil ge-
hen, dann in Gefangenschaft geraten und deportiert werden ließ. Die, die überlebt
haben, betonen gewöhnlich, dass sie Glück gehabt haben, und das hatten sie auch, aber
es hat sie nicht nur das Glück begleitet. Die wichtigsten Faktoren, um überleben zu
können, waren vielleicht das Alter, die Solidarität, die Beherrschung eines handwerk-
lichen Berufs und die Fähigkeit, Beziehungen zu knüpfen und neue Freundschaften zu
schließen in sich ständig verändernden Kontexten ; entscheidend war auch die Bereit-
schaft, Fremdsprachen zu lernen, vor allem das Deutsche, und wenn es auch nur das
Lagerdeutsch war.
Viele Überlebende stellen fest, dass sie in der Hochblüte ihrer körperlichen Entwick-
lung in die Lager gekommen sind oder dass sie auf jeden Fall jünger aussahen, als sie in
Wirklichkeit waren : «Ich war sehr stark, ich war in einem guten Alter, fünfundzwan-
zig Jahre, denn denen, die siebzehn oder achtzehn waren, fiel es schwer zu überleben,
und denen, die über fünfzig waren, auch, die waren es, die zusammenbrachen.» – «Es
schien uns, als gehörte uns die ganze Welt.» – «Ich hatte viel Sport getrieben.» – «Ob-
wohl ich volljährig war, hielten sie mich für einen jungen Burschen.» Wie sie feststellen,
«sahen sie gut aus», waren sie «stramme Burschen». «Ja, ich war recht attraktiv, und es
ist nicht so, dass ich das ausgenützt hätte oder so, aber schließlich, es scheint, ich sah
recht gut aus.» Alle Interviewten hatten einen Beruf oder eine Fähigkeit und verstan-
den es, Beziehungen zu knüpfen : «Dort konnte man nicht ohne einen Freund leben.»
Fast alle kamen mit bereits gefestigten Freundschaften oder in kleinen Gruppen ins
Lager, die sich schon in den französischen Flüchtlingslagern oder sogar früher gebildet
hatten :
«Wir waren eine Gruppe von sieben Spaniern, wir waren Freunde schon vor dem Stalag,
schon im Bataillon. Du fragtest nicht nach der Ideologie. Von der CNT41 war nur ich, die an-
40 AMM, MSDP, OH/ZP1/181, Interview mit José Egea Pujante, Interviewerin : Mercedes Vilanova, Sitges,
4. 6. 2002.
41 Zur Geschichte der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT (Confederación Nacional del Trabajo)
siehe José Peirats : The CNT in the Spanish Revolution, 3 Bde., Hastings 2001–2006.
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen