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184 | Anne-Marie Granet-Abisset
als professionelle Zeugen fungierten bzw. daran gewöhnt waren, Zeugnis abzulegen,
und im Gegensatz dazu auch Deportierte, die nie oder fast nie im Rahmen offizieller
Befragungen oder vor schulischen Auditorien das Wort ergriffen hatten. Die vier Inter-
viewerinnen11 waren gelegentlich mit einigen Schwierigkeiten konfrontiert, um das
Einverständnis bestimmter Zeugen zu erhalten, die um ein Interview gebeten worden
waren, oder auch mit ihrer Weigerung : gesundheitliche Probleme, die es unmöglich
machten, Zeugnis abzulegen ; die Tatsache, dass die Betreffenden bereits zu alt und zu
schwach dafür waren ; aber auch Misstrauen in Bezug auf die Auftraggeber und den
Rahmen der Befragung
– im Klartext : Man stieß entweder auf eine Weigerung oder auf
Misstrauen, weil dieses Projekt nicht direkt unter der Ägide der Amicale de Mauthau-
sen organisiert wurde, oder im Gegenteil auf die Angst, dass dieses Projekt einzig und
allein von der Amicale abhängen könnte, mit der sie nichts mehr zu tun hatten oder nie
etwas zu tun haben wollten.
Schließlich haben wir Deportierte interviewt, die mehrheitlich Widerstandskämp-
fern der Basis zuzuordnen sind. Diese Verteilung hängt mit der Entscheidung zusam-
men, diese Kategorie hier bevorzugt zu berücksichtigen gegenüber berühmteren Per-
sönlichkeiten, die schon wiederholt interviewt worden waren, so etwa im Rahmen von
unter der Ägide der Fondation pour la Mémoire de la Déportation (FMD), auf Veran-
lassung der Amicale de Mauthausen, der Spielberg Foundation oder auch unter anderen
Umständen durchgeführten Befragungen. Pierre Saint-Macary zum Beispiel, der zum
Zeitpunkt der Befragung gerade dabei war, seine Memoiren zu verfassen, erklärt, dass
er anfangs weder das Bedürfnis noch die Gelegenheit gehabt habe, Zeugnis abzulegen :
«Ich lebte abseits jeglichen Systems von Assoziationen, Verbänden oder von historischen Ver-
einen, und bei den privaten Treffen unter Deportierten war es nicht notwendig, irgendetwas
zu belegen. Dann sind die Holocaust-Leugner gekommen, und das einzige Mittel, um ihnen
entgegenzutreten, war es, die Geschichte aufzuschreiben. Wir haben uns daran gemacht, ei-
nige von uns, und die Dissertation über Mauthausen hat einer Debatte ein Ende gemacht, die
niemals hätte stattfinden dürfen.»12
Drei (von den 44 Interviewten) gehören zu den sehr bekannten Persönlichkeiten
der KZ-Gedenkkultur in Frankreich.13 Mehrere andere hatten ihr Zeugnis zu unter-
11 Die vier Interviewerinnen haben die Gespräche entsprechend dem Setting, der Methode und den allge-
meinen Vorgaben des MSDP-Teams durchgeführt.
12 Pierre Saint-Macary : Mauthausen : percer l’oubli. Mauthausen – Melk – Ebensee, Paris 2004, S. 10. Er
hatte bereits an der Herausgabe eines Sammelbandes im Jahr 1981 mitgewirkt, gemeinsam mit Abbé Jean-
Baptiste Varnoux und Raymond Hallery : Melk, commando de Mauthausen, Paris 1981. Bei der erwähn-
ten Dissertation handelt es sich um jene von Michel Fabréguet : Mauthausen. Camp de concentration
national-socialiste en Autriche rattachée (1938–1945), Paris 1999 (Bibliothèque d’histoire moderne et
contemporaine, 1).
13 Vor allem Marie-José Chombart de Lauwe, 1996 bis 2018 Vorsitzende der Fondation pour la Mémoire de
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen