Seite - 189 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
Bild der Seite - 189 -
Text der Seite - 189 -
189Die
französischen Deportierten von Mauthausen : ungleiche Wege zum gleichen Ziel |
passagen recht kurz und recht klassisch (auĂźer was die Folter angeht). Sie spiegeln
die vorhergehenden politischen Engagements bzw. humanistischen Einstellungen oder
auch einfach die Reaktion auf den immer massiveren und repressiveren Einfluss der
Besatzungsmacht wider. Dies hängt auch damit zusammen, dass die in den Jahren 2001
bis 2003 befragten Zeugen damals junge Leute waren. Es sind vor allem die kommu-
nistischen Widerstandskämpfer oder jene, die gewerkschaftlich engagiert waren, die
ein besonderes Augenmerk auf ihre politische Positionierung richten. All dies muss
ebenfalls im Licht der jeweiligen sozialen und beruflichen, aber auch der familiären
Situation reflektiert werden, wie aus den Erzählungen Henri Maîtres hervorgeht :
«Als Frankreich im Jahr 1940 überfallen wurde, haben wir die deutschen Truppen defilieren
sehen, und ich werde mich immer an Papas Verhalten erinnern, der seine Trophäen aus dem
Ersten WeltkriegÂ
– einen deutschen Helm und ein Lebel-GewehrÂ
– von der Wand genommen
und in den Keller hinuntergebracht hat und mit sehr ernster Stimme, eine verstohlene Träne
im Auge, zu uns sagte : ‹Meine Kinder, der Boche ist da, aber ihr wisst, wo eure Pflicht ist.›»21
Kurz : Es handelt sich hier um Widerstandskämpfer, die in sehr strukturierten Netzwer-
ken engagiert waren, oder um unauffälligere Résistants, die an Formen individuelleren
oder diffuseren Widerstands beteiligt waren, die die riskanten Operationen beglei-
teten oder erleichterten.22 Die aus rassischen GrĂĽnden aus Frankreich Deportierten,
die sogenannten «Verfolgungs»-Deportierten (déportés arrêtés par mesure de persécu-
tion), sind mehrheitlich gegen Ende des Krieges in Mauthausen angekommen, infolge
sukzessiver Ăśberstellungen von anderen Lagern aus (das gilt insbesondere fĂĽr einige
Frauen). In dieser Gruppe befanden sich allerdings auch Deportierte, die wegen Wi-
derstandsaktivitäten verhaftet oder bei Razzien aufgegriffen wurden. Das gilt teilweise
auch fĂĽr Pierre Serge Choumoff, der sich Ende 1940 dem Widerstand angeschlossen
hatte. Nach seiner Verhaftung im März 1942 verbrachte er über ein Jahr im Pariser
Gefängnis Cherche-Midi und in der Festung Romainville. Anfang April 1943 wurde
er nach Mauthausen deportiert. Im Interview schildert er, wie er bei der Ankunft von
einem SS-Mann – aufgrund seines Vornamens – für einen Russen gehalten wurde.
folgung von politischen Gegnern und Juden. Sie existierte von Jänner 1943 bis Anfang August 1944 und
hatte ca. 35.000 Mitglieder. Die Miliz folterte und ermordete zahlreiche Widerstandskämpfer und Gegner
der Kollaboration und lieferte Tausende an die deutschen Behörden aus. Vgl. Jean-Pierre Azéma : La
milice, in : Vingtième Siècle 28 (1990), S. 83–106.
21 AMM, MSDP, OH/ZP1/318, Interview mit Henri Maître, Interviewerin : Maryline Tranchant, Yenne,
6. 6. 2002, Transkript, Z. 22–29.
22 Siehe dazu insbesondere die Analyse der verschiedenen Kategorien von Widerstand, die Pierre Laborie
herausgearbeitet hat : Le chagrin et le venin. La France sous l’Occupation, mémoire et idées reçues. Paris
2011, sowie ders.: Les mots de 39–45, Toulouse 2006.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
zurĂĽck zum
Buch Deportiert nach Mauthausen, Band 2"
Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen