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192 | Anne-Marie Granet-Abisset
Die Landwirte aus dem Jura oder aus dem Departement Isère erklären ebenfalls, wie
sie sich zum Zeitpunkt ihres Eintritts in das professionelle Milieu Widerstandsgruppen
angeschlossen haben, was für diese Generation oft der Rückkehr zu den Orten ihrer
Jugend entspricht. Diese Überlebenden erklären, worin ihr Engagement bestand : Oft
ging es darum, Fallschirmabwürfe in Empfang zu nehmen, Menschen oder Waffen auf
den Bauernhöfen und in den Scheunen zu verstecken. Die geografischen Gegebenhei-
ten des Jura boten den Widerstandskämpfern gute Voraussetzungen, da die Bauern-
höfe oft isoliert lagen. Die Nähe zur Demarkationslinie zwischen freier und besetzter
Zone bot eine günstige Gelegenheit, sowohl um Netzwerke aufzusuchen als auch um
Widerstandskämpfern zu einem Versteck zu verhelfen, umso mehr, als die Schweiz
nicht weit entfernt ist.30
Ein anderes Beispiel für die Vielfalt der Gründe für die Deportation ist jenes von
Jean-Laurent Grey aus Grenoble. Er wurde bei einer Razzia verhaftet, obwohl er eigent-
lich nicht zu einem Widerstandsnetzwerk gehörte (auch wenn er sich über Vermittlung
einiger Freunde an symbolischen Aktionen beteiligte). Seine Verhaftung fand anläss-
lich einer Demonstration gegen die Besatzungsmacht im Jahr 1943 statt. Er, der in der
Region von Grenoble lebte, erzählt, dass unter der italienischen Besatzung, der diese
Region seit 1942 unterstellt gewesen war, die Bewohner wie die Widerstandskämp-
fer schlechte Gewohnheiten angenommen hätten. Letztere ergriffen nicht alle nötigen
Vorsichtsmaßnahmen, da die italienische Besatzungsmacht nicht als drakonisch streng
oder bedrohlich erschien. Sie wird zugleich in den Dokumenten der Epoche und noch
mehr in den Zeugenberichten stets als weniger gefährlich dargestellt ; es handelt sich
hier einerseits um eine Realität, aber andererseits gewiss auch um eine Rekonstruktion
a posteriori im Vergleich zu dem, wie sich das Leben unter der deutschen Okkupation,
unterstützt und sogar übertroffen durch das Vichy-Regime, später gestaltete. Diese
Bemerkung gilt für die Widerstandskämpfer gegen das Vichy-Regime wie gegen das
Nazi-Regime ; sie gilt noch mehr für die jüdischen Flüchtlinge. Diese wurden zu dieser
Zeit gewissermaßen vom Herzog von Castiglione, dem italienischen Verantwortlichen
für die Region, «protegiert», der die Juden vor einer drakonischen Anwendung der
Gesetze von Vichy schützte, sie vor den vom Vichy-Regime geforderten Verhaftungen
bewahrte. Diese Haltung führte dazu, dass zahlreiche jüdische Familien aus dem Rest
Frankreichs, aber auch aus dem besetzten Europa, vor allem in die Regionen von Gre-
noble und Nizza kamen.
Der Einmarsch der Deutschen ab September 1943 veränderte diese Situation auf
einen Schlag. Wenn man beim Beispiel von Grenoble bleibt, so hatte wie gesagt eine
Reihe von Operationen, die sogenannte «Grenobler Bartholomäusnacht», die Wider-
standsnetzwerke ab Oktober 1943 führerlos zurückgelassen. Am 11. November 1943
fand sich eine Reihe junger Gymnasiasten und Studenten, um ihre Opposition gegen
das Vichy-Regime und die deutsche Besatzung zu bekunden, vor dem Denkmal für die
30 Vgl. vor allem die Interviews mit Marcel Peretti, Victor Platel, André Moyne oder Georges Petitjean.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen