Seite - 194 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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194 | Anne-Marie Granet-Abisset
werde mich bis zu meinem Tod daran erinnern. Ich war haarscharf, wie man gewöhnlich sagt,
einer großen Gefahr entronnen.»31
Dieses Gefühl von Angst empfanden die Frauen, die nach Mauthausen kamen, stark
bei der Vorstellung, unter die Dusche gehen zu müssen ; da sie von den Gaskammern
gehört hatten, vor allem von ihren Unglücksgenossinnen, die aus Auschwitz gekom-
men waren ; deshalb dachten sie, dass bei ihrer Ankunft in Mauthausen dieses Schick-
sal ihrer harrt. Gisèle Guillemot schildert ihre Angst noch im Moment der Befreiung
durch einen Rot-Kreuz-Transport Ende April 1945 :
«Tatsächlich war es für mich immer sehr schwer, den Steinbruch zu durchqueren, und wir
durchquerten ihn zwei Mal täglich, einmal auf dem Weg zu den Kartoffelfeldern und einmal
auf dem Rückweg. Und an diesem Morgen war ich wirklich am Ende meiner Kräfte … ich
habe oben an der Stiege zu weinen begonnen, ich habe gesagt : ‹Ich werde sie nie wieder hin-
aufsteigen, ich sterbe lieber. Es ist aus, ich werde diese Stufen nicht mehr hinaufsteigen !› Und,
ein Wunder, es gibt all diese Lastwägen da am Vormittag, die auf der Straße da auftauchen,
in ungefähr 250 bis 300 Metern von unserem Silo. Aber wir wussten nicht, was das war, und
man wusste, dass es Vernichtungslastwagen gab, das heißt Lastwagen, in denen Leute vergast
wurden. Und wir haben uns gesagt : Es ist soweit ! Das sind vielleicht die Vernichtungslast-
wagen. Ich erinnere mich nicht mehr, was sie für eine Farbe hatten, alles, was ich weiß, ist,
dass große Kreuze darauf waren, ob sie weiß oder rot waren, das weiß ich nicht mehr, und
wenn ich mit meinen Kameradinnen darüber diskutiere, sind wir uns nie einig. Die einen
sagen : Sie waren weiß, die Kreuze, die anderen sagen : Das waren schwarze Lastwagen mit
roten Kreuzen darauf, und wir wissen es nicht. Wir haben uns gesagt : Vielleicht ist das eine
Falle ? Und da hatten wir große Angst.»
«Und dann gibt es ein Mädchen, das vom Bauernhof kommt, wo sie Erdäpfel schleppen gewe-
sen ist, und sie sagt : ‹Es ist so weit ! Es ist so weit ! Es ist die Befreiung ! Man wird uns befreien !
Es ist für uns !› Gut, vielleicht, wir waren nicht sicher. Und man bringt uns in die Duschen,
wir sollten uns waschen, man gibt uns saubere Wäsche, halbwegs anständige Kleidung denen,
die nur mehr Lumpen hatten, und dann gehen wir ins Lager zurück, in die Werkstätte, wo
wir schliefen. die Mädchen waren schon informiert. Man hatte sie schon in die Duschen ge-
bracht ; sie sagen zu uns : ‹Wir gehen morgen früh weg !› Was war das Ziel, das Leben oder der
Tod ? Niemand wusste es. Wir verbringen also die Nacht dort, und am Morgen lässt man uns
aufbrechen. Wir gehen die Stufen hinauf, ich gehe sie hinauf und sage mir dabei : Das ist, was
auch geschehen mag, das ist das letzte Mal !»32
31 AMM, MSDP, OH/ZP1/318, Interview Maître, Z. 84–126.
32 AMM, MSDP, OH/ZP1/331, Interview mit Gisèle Guillemot, Interviewerin : Julia Montredon, Seillans-
Paris, 1. 8./26. 9. 2002, Transkript, Z. 2586–2616.
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen