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200 | Anne-Marie Granet-Abisset
Marie Salou kam ebenfalls über Ravensbrück, nach einer Reihe deutscher Gefäng-
nisse, bevor sie nach Mauthausen geschickt wurde, wo sie in einem Kommando bei
der Kartoffelernte und dann bei der Räumungsarbeit am Bahnhof von Amstetten nach
dem Bombardement eingesetzt wurde. Die Begegnungen mit den Männern waren
zwar nicht häufig, kamen aber doch vor ; die Frauen waren sichtbar, vor allem bei den
Gruppenbewegungen, aber auch, wenn sie zur Räumungsarbeit nach Bombardements
gehen mussten. Die männlichen Deportierten sprechen jedoch wie gesagt sehr wenig
von den deportierten Frauen.
Resümee
Auch wenn ich mich hier auf die Zeit vor der Ankunft im Lager konzentriert habe,
bleibt zum Abschluss anzumerken, dass es bei einem Interviewkorpus wie diesem
hier doch sehr rasch die Erfahrungen und die Gesellschaft im KZ sind, über die am
ausführlichsten erzählt wird. Andere Aspekte wären eine Untersuchung wert, die in
den Deportierten-Erzählungen von Anfang der 2000er Jahre im Übrigen ziemlich
ausführlich thematisiert werden : die Werte, um derentwillen sie gekämpft und nach
ihrer Rückkehr Zeugnis abgelegt haben, die Gründe für ihr Engagement, aber auch
der Bruch, den die Deportation in ihrem Leben bedeutet hat : Manche, vor allem die
Landwirte, waren durch die Auswirkungen der Deportation auf ihre – bei ihrer Arbeit
ja sehr wichtige – physische Widerstandskraft manchmal gezwungen, den Beruf zu
wechseln ; für andere hatte die Deportation den Abbruch ihres begonnenen Studiums
bedeutet.
Es bleibt eine viel umfassendere Frage, die es ebenfalls zu stellen gilt : Welchen Platz
nimmt Mauthausen in der Gedächtniskultur der Deportation ein, speziell in Frank-
reich, aber nicht nur dort ? Es handelt sich um das Lager, das die größte Zahl verschie-
dener Nationalitäten versammelt hat. Daher scheint mir eine andere Frage wichtig im
Hinblick auf neue Forschungsperspektiven, die die Rückkehr des Friedens, die Frage
des Übergangs vom Krieg zum Frieden und der «Rückkehr zur Normalität» betreffen.
Wie können die ehemaligen Deportierten, die aus Mauthausen zurückgekehrt sind, der
Zukunft eines Europas entgegensehen, mit dem sie in seiner schlimmsten Form, jener
der KZ-Erfahrung, konfrontiert gewesen sind ?
(Übersetzung : Martina Stemberger)
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen