Seite - 204 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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204 | Katja Happe
worden war, wer in deutschen Augen als Jude galt, folgte im Jänner 1941 der Aufruf zur
Registrierung aller Juden in den Niederlanden. Durch diese Registrierung erhielten die
deutschen Besatzungsbehörden eine aussagekräftige Datenbasis für ihr weiteres Vorge-
hen gegen die Juden : Zu diesem Zeitpunkt lebten 140.245 Juden in den Niederlanden,
davon 118.455 niederländische und 14.493 deutsche Staatsbürger sowie 7297 Ange-
hörige anderer Nationen. Hinzu kamen nach den Abstammungskriterien der Natio-
nalsozialisten 14.549 «Halbjuden» und 5179 «Vierteljuden».8
Die Verschärfung der antisemitischen Maßnahmen hatte bisher in der nichtjüdi-
schen Bevölkerung zu keinen größeren öffentlichen Protesten geführt. Viele hofften,
dass mit der Registrierung der Juden die Maßnahmen abgeschlossen wären und ein
unter den Umständen der Besatzungszeit normales gesellschaftliches Leben wieder
aufgenommen werden könnte. Auch viele Juden konnten sich nicht vorstellen, auf-
grund ihrer Religionszugehörigkeit von den Deutschen aus der niederländischen Ge-
sellschaft und Nation ausgeschlossen zu werden. Besonders deutsche Juden versuchten
zwar noch immer, eine Chance zur Emigration zu ergreifen, aber die meisten Juden
ertrugen die ersten antijüdischen Maßnahmen und hofften auf ein baldiges Ende der
Besatzungszeit, um wieder zu ihrem früheren Leben zurückkehren zu können. Die
wenigsten fürchteten zu diesem Zeitpunkt um ihr Leben.
Begrüßt wurden die antisemitischen Maßnahmen in den Niederlanden dagegen
von der Nationaal-Socialistische Beweging (NSB) und ihren Anhängern.9 Die NSB war
1931 von Anton Mussert und Cees van Geelkerken gegründet worden. Obwohl sie
bis 1938 auch Juden als Mitglieder aufgenommen hatte, stellte sie sich nach dem Be-
ginn der Besatzungszeit ganz auf die Seite der deutschen Besatzer und propagierte ein
Groß-Niederländisches Reich in einem Germanischen Staatenbund unter deutscher
Führung. Anfang 1941 hatte sie ca. 50.000 Mitglieder. Der größte Teil der niederländi-
schen Bevölkerung stand der NSB jedoch ablehnend gegenüber ; so stimmten bei den
Wahlen 1939 gerade einmal vier Prozent der Niederländer für sie.
Unruhen in Amsterdam und die ersten Deportationen nach Mauthausen
Dies war die Situation in den Niederlanden zu Beginn des Jahres 1941. In den folgenden
Monaten wurden Hunderte Juden aus den Niederlanden nach Mauthausen deportiert.
Auslöser dafür waren Unruhen in Amsterdam. Die NSB und vor allem ihre der SA ver-
gleichbare Kampfabteilung, die Weerbaarheidsafdeling (WA
– Verteidigungsabtei lung),
8 NIOD, 020/279, Generalkommissar für Verwaltung und Justiz, Rundschreiben betr. Ausführung und
Resultate der Anmeldungspflicht für Juden infolge VO 6/41, Schreiben des Generalkommissars für Ver-
waltung und Justiz mit dem Ergebnis der Registrierung der Juden vom 5. 9. 1941.
9 Konrad Kwiet : Zur Geschichte der Mussert-Bewegung, in : Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 18.2
(1970), S. 164–195.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen