Seite - 227 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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227«Wie
vom Erdboden verschwunden …» |
deutsche Memorandum ab, das territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit
zusicherte, falls im Gegenzug die Kampfhandlungen eingestellt wĂĽrden. Die norwegi-
schen Soldaten kämpften stattdessen weiter bis zum Juni 1940, als der norwegische
König und die Regierung nach London flüchteten.17
Während der gesamten deutschen Besatzung war der Gauleiter von Essen, Josef Ter-
boven, Reichskommissar von Norwegen. Dabei unterstand er allein Hitler. Mit Ter bo-
vens sogenannter «Neuordnung» vom 25. September 1940 wurde die Nasjonal Samling
(Nationale Vereinigung), die norwegische Nazipartei unter Vidkun Quisling, die ein-
zige legale politische Partei in Norwegen. Am 1. Februar 1942 wurde Quisling zum
Ministerpräsidenten der norwegischen Regierung ernannt. Doch de facto regierte Ter-
boven mit nahezu unumschränkter Macht Norwegen ; er nutzte diese Macht für eine
«Politik der harten Hand», die sich drastisch von der deutschen Besatzungspolitik in
Dänemark unterschied.18
Im Gegensatz zu Dänemark versuchte die Nasjonal Samling die norwegische Gesell-
schaft nach deutschem Vorbild zu nazifizieren. Dies löste Protestkampagnen aus, die in
der Bevölkerung des Landes auf breite Unterstützung stießen. Insbesondere die Nazi-
fizierung der Kirchen und Schulen wurde bekämpft. Die meisten norwegischen Lehrer
wehrten sich gegen die Pflichtmitgliedschaft in einem von der Nasjonal Samling orga-
nisierten Lehrerverein, weil sie sich nicht an der Nazifizierung der SchĂĽler beteiligen
wollten. Die Deutschen antworteten darauf mit der Verhaftung von rund 1100 männ-
lichen Lehrern im FrĂĽhjahr 1942, von denen rund 650 nach Nordnorwegen deportiert
wurden, um Zwangsarbeit zu leisten. Im gleichen Jahr legte die Mehrheit der Pfarrer
aufgrund der zunehmenden Nazifizierung ihr Amt nieder. Als Gegenreaktion wurden
rund 130Â Pfarrer gezwungen, ihre Gemeinden zu verlassen, und etwa 90 waren ĂĽber
kürzere oder längere Zeiten in Haft.19
Die legal erscheinenden Zeitungen nutzte die Besatzungsmacht und die Nasjonal
Samling als Propagandainstrument. Die Norweger wurden im Gegensatz zu den Dä-
nen im August/September 1941 zur Abgabe ihre Radiogeräte gezwungen. Der dadurch
blockierte Zugang zu Nachrichten aus dem Ausland fĂĽhrte zu einem weiteren An-
17 Gunnar Christie Wasberg : Norway in the Second World War, in : Rohwer/MĂĽller (Hg.), Neue Forschun-
gen, S. 333–338, hier 334 ; Bjarte Bruland : Norwegen – Wie sich erinnern ? Norwegen und der Krieg, in :
Flacke (Hg.), Mythen der Nationen, Bd. 1, S. 453–480, hier 454–457 ; Magne Skodvin : Norsk historie
1939–1945 [Norwegische Geschichte 1939–1945], Oslo 1991, S. 43.
18 Robert Bohn : Reichskommissariat Norwegen. «Nationalsozialistische Neuordnung» und Kriegswirtschaft,
hg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, München 2000 (Beiträge zur Militärgeschichte, 54), S. 31 ;
Herbert, Best, S. 326.
19 Terje Halvorsen : Zwischen London und Berlin. Widerstand und Kollaboration in Norwegen 1940–45,
in : Robert Bohn et al. (Hg.), Neutralität und totalitäre Aggression. Nordeuropa und die Großmächte im
Zweiten Weltkrieg, Stuttgart 1991, S. 337–353, hier 342 f.; Berit Nøkleby : Lærerstriden [Der Lehrerstreit],
in : Hans Fredrik Dahl/Eirin Hagen (Hg.), Norsk krigsleksikon 1940–45 [Norwegisches Kriegslexikon
1940–45], Oslo 1995, S. 259 f.; Gunnar Heiene : Kirkekampen [Der Kirchenkampf], in : ebd., S. 211 f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen