Seite - 235 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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235«Wie
vom Erdboden verschwunden …» |
Dazu kommt, dass sich unter den Dänen und Norwegern in Mauthausen Perso-
nen befanden, die in ihrem Heimatland als Geiseln festgenommen worden waren,
nachdem es den Deutschen nicht gelungen war, ihre gesuchten Familienmitglieder
zu verhaften.46 Einer der norwegischen Mauthausen-Häftlinge wurde während einer
kollektiven Strafaktion gegen die gesamte Bevölkerung seines Dorfes festgenommen.47
Andere norwegische Mauthausen-Häftlinge wurden aufgrund von Gesetzen verhaftet,
die vom deutschen Besatzungsregime in Norwegen erlassen wurden. Darunter fiel bei-
spielsweise der Versuch, nach England oder Schweden zu flĂĽchten.48 Wieder andere
kamen wegen Kleinigkeiten oder peripherer Beziehungen zu Widerstandsnetzwerken
ins Visier der deutschen Behörde. Ein gutes Beispiel ist Thora Knudsen. Sie wurde
verhaftet, nachdem sie auf einem Bahnsteig in Norwegen, an dem ein Zug voll deut-
scher Soldaten anhielt, sagte : «Pfui, hier riecht es nach Deutschen». Sie verbrachte
18Â Monate in deutscher Gefangenschaft, davon ĂĽber ein Jahr in Konzentrationslagern
als sogenannter «Nacht-und-Nebel-Häftling», kurz NN-Häftling.49
Fast 90 Prozent der dänischen und norwegischen Mauthausen-Häftlinge wurden in
den Jahren 1943 und 1944 aus ihrem Heimatland in die deutschen Konzentrationsla-
ger deportiert. Vermutlich hängt dies auch mit der steigenden Verwendung von KZ-
Häftlingen als Arbeitskräften in der deutschen Rüstungsindustrie zusammen. Aber da
die 15.000 Deportierten aus Dänemark und Norwegen nur eine winzige Gruppe unter
den Hunderttausenden von Häftlingen in den Konzentrationslagern waren, die kaum
eine Bedeutung fĂĽr die deutsche RĂĽstungsindustrie hatten, ist dies nicht die einzige
Erklärung für ihre Deportation.
Als Beispiel sind die NN-Häftlinge zu nennen. Die sogenannte «Nacht-und-Nebel-
Verordnung» sollte zum einen die als NN-Häftlinge kategorisierten Personen für ihre
Handlungen gegen die Besatzungsmacht bestrafen. Die Geheimhaltung des Haftortes
und des weiteren Schicksals verbreitete zudem Angst und Sorge in der norwegischen
Bevölkerung.50 Die ersten Häftlinge, die von Dänemark in die deutschen Lager depor-
tiert wurden, waren keineswegs zufällig die ideologischen Hauptfeinde der National-
sozialisten, nämlich Kommunisten und Juden.51
46 Interview mit Erling Bauck, in : Hans Melien, De kjempet for vĂĄr frihet [Sie haben fĂĽr unsere Freiheit
gekämpft], Oslo 1979, S. 91–101, hier 92 ; Interview der Autorin mit Børge Lund Poulsen, Odense, 10.
4. 2008 und 28. 4. 2008 ; DRA, Udenrigsministeriet, gruppeordnede sager 1909–45, 84.G.5/256 a.
47 Vlg. Konrad Birkhaug : Telavåg. Fiskeværet som tyskerne slettet ut i 1942 [Telavåg. Das Fischerdorf, das
die Deutschen 1942 vernichteten], Oslo 1946 ; Ording et al. (Hg.) : Våre falne 1939–1945, Bd. 3, S. 421.
48 NHM, Interview mit Egil Løkås ; NHM 18 G-0001, Fragebogen von Talitha Ellingsen.
49 SHB, Transkription eines Interviews mit Rolf Bjunes, S. 3 f.; NHM, Interview mit Thora Knudsen.
50 Dokument 090-L, in : International Military Tribunal (Hg.) : Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbre-
cher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, Bd. 37, Nürnberg 1947 [Nachdruck 1989], S. 570–576 ;
Dokument 669-PS, in : ebd., Bd. 26, S. 245–249.
51 Schulze, Dänische Deportierte in nationalsozialistischen Konzentrationslagern, S. 82, 84.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen