Seite - 285 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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285«Da
hat der Leidensweg erst begonnen …» |
«Wir sind am Morgen angekommen. Es war ein regnerischer, nebeliger Tag, unangenehmes
Wetter. Sowie der Zug stehen geblieben ist, sind schon Kommandos in deutscher Sprache
gefallen. Man hört das Bellen von Hunden. ‹Heraus ! Los ! Bewegung ! Schnell, schnell, schnell !›
Wir sind aus den Waggons gesprungen. Schnell ist eine Kolonne mit jeweils fünf [Mann pro
Reihe] formiert worden. Wieder hat Redžo [richtig : Redža, Anm. d. A.] einen Teil meines Ge-
päcks getragen und bei Gott, wir vier Stund/ [sind] vier Kilometer vom Bahnhof zum Lager
zu Fuß [gegangen]. Aber das war kein Marsch Schritt um/ für Schritt. Da wurde gelaufen, da
sind sowohl, eh, Prügel als auch Flüche [auf uns] herabgeprasselt und Schläge, Fußtritte. Wir
konnten bereits, wir konnten bereits am Empfang erkennen, was uns erwartet.»102
Ljubomir Zečević’ Weg nach Mauthausen mündet in die Aufnahmeprozedur mit Ra-
sieren, Duschen, Einkleiden und Empfang der Häftlingsnummer.103
Ljubomir Zečević teilte viele Stationen seiner «Lagerkarriere» mit Pavle Milošević,
ohne diesen jedoch in seiner Erzählung zu erwähnen. Der 1924 als Sohn einer bürger-
lichen Familie in Belgrad geborene Pavle Milošević trat als Gymnasiast der Jugend-
sektion des SKK (Srpski kulturni klub – Serbischer Kulturklub) bei.104 Während der
Okkupation leistete er als Angehöriger der JURAO (Jugoslovenska ravnogorska omla-
dina – Jugoslawische Ravna-Gora-Jugend) zivilen Widerstand.105 Im Juli 1943 wurde
er verhaftet und im September nach Banjica überstellt. Pavle Milošević wurde mit
demselben Transport wie Ljubomir Zečević nach Mauthausen deportiert. Zwischen
November 1943 und Juni 1944 wurde er in «Schlier» (Redl-Zipf) bei Bauarbeiten ein-
gesetzt. Dann wurde der dem Tode Nahe nach Mauthausen rücküberstellt. Frühere
Mitstreiter ermöglichten dort seine Einweisung ins Revier, wo er nach der Genesung
als Krankenpfleger arbeitete. Im November 1944 wurde Pavle Milošević nach Ebensee
verlegt. Dort wiederholte sich der Ablauf von Schwerarbeit, Erkrankung und Einsatz
im Revier. Bei der Rückkehr nach Jugoslawien im Juni 1945 wurde Pavle Milošević
von Ljubomir Zečević als Tschetnik angezeigt und der Ermordung linksorientierter
Mitgefangener durch Benzininjektionen bezichtigt. Schließlich wurde Pavle Milošević
jedoch amnestiert, konnte studieren und später als Arzt arbeiten. In den letzten Jahren
war er publizistisch tätig. Pavle Milošević’ chronologisch aufgebaute lebensgeschicht-
102 Ebd.
103 Vgl. ebd.
104 Der 1936/37 gegründete SKK versammelte Angehörige intellektueller, politischer, militärischer, ad-
ministrativer und wirtschaftlicher Kreise. Sein deklariertes Ziel war die Mobilisierung der serbischen
Funktionseliten zur Pflege der nationalen Kultur. Der SKK setzte sich aber auch für die Erhaltung der
serbischen Dominanz im Königreich Jugoslawien ein, indem er die Föderalisierung des Landes be-
kämpfte. Vgl. Ljubodrag Dimić : Srpski kulturni klub između kulture i politike [Der Serbische Kultur-
klub zwischen Kultur und Politik], in : Književnost 9–10 (1993), S. 858–903.
105 Die JURAO wurde 1942 als Jugendorganisation der Mihailović-Tschetniks gegründet. Ihre Mitglieder
rekrutierten sich u. a. aus der Jugendsektion des SKK. Die JURAO war hauptsächlich in Serbien und
Montenegro aktiv. Vgl. Tomasevich, War and Revolution, Vol. 1, S. 187 f.
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen