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294 | Katrin Auer
Drei Okkupationspolitiken in Griechenland
Aufgrund ihrer Bewunderung für die griechische Antike hatte die nationalsozialisti-
sche Führung anfänglich eine weniger harte Okkupationspolitik für Griechenland im
Sinn, doch schon die breite Beteiligung der Bevölkerung Kretas am bewaffneten Wi-
derstand gegen die Luftlandeoperation «Merkur» im Mai 1941 ließ diese Sympathien
schnell wieder abklingen.6 Die Wehrmacht reagierte sofort mit Vergeltungsmaßnah-
men, etwa in Kondomari mit der Erschießung der männlichen Dorfbevölkerung am
2. Juni 1941. Griechischen Quellen zufolge wurden während der deutschen Invasion
auf Kreta 2000 Menschen in Form von «Sühnemaßnahmen» getötet.7
Im Juni 1941 wurde Griechenland schließlich in drei Besatzungszonen aufgeteilt,
da aufgrund des Angriffs auf die Sowjetunion kein Interesse bestand, größere Teile der
Wehrmacht im Land zu binden. Die italienische Zone umfasste den Großteil des grie-
chischen Festlandes und der Inseln, zur deutschen Zone zählten ein kleiner Teil Atti-
kas, Thessaloniki, der Großteil Kretas, das griechisch-türkische Grenzgebiet sowie die
ägäischen Inseln Lesbos, Chios und Lemnos. Die Okkupationszone unter bulgarischer
Kontrolle befand sich in Ost-Makedonien und West-Thrakien.8 Die Tatsache, dass
dem von der griechischen Armee geschlagenen Italien die größte Zone zugesprochen
wurde, sorgte in Griechenland für ebenso großes Entsetzen wie die sofort einsetzende
Annexion in der bulgarischen Zone.9
Die Aufteilung Griechenlands in drei Besatzungszonen zog weitreichende Folgen
sowohl für die als jüdisch geltenden Griechen als auch für die nichtjüdische Bevöl-
kerung nach sich. Denn in der italienischen Zone waren Juden und Jüdinnen vor der
antisemitischen Verfolgung weitgehend sicher, während im Zuge der bulgarischen
Annexion bis zum Sommer 1943 Zehntausende Griechen und Griechinnen ermordet
und Hunderttausende vertrieben sowie ebenso wie in der deutschen Zone antijüdische
Maßnahmen durchgeführt wurden. Es kam daher zu einer massenhaften Flucht der
griechischen Bevölkerung in die deutsche sowie in kleinerem Ausmaß von Juden und
Jüdinnen in die italienische Zone, das heißt vor allem von Thessaloniki nach Athen, wo
sich der italienische General Carlo Geloso und der italienische Polizeikommandeur für
den Schutz der jüdischen Bevölkerung einsetzten.10
6 Vgl. Hagen Fleischer : Deutsche «Ordnung» in Griechenland 1941–1944, in : Loukia Droulia/Hagen Fleischer
(Hg.), Von Lidice bis Kalavryta. Widerstand und Besatzungsterror. Studien zur Repressalienpraxis im Zwei-
ten Weltkrieg, Berlin 1999 (Nationalsozialistische Besatzungspolitik in Europa, 8), S. 151–224, hier 154.
7 Vgl. Mark Mazower : Inside Hitler’s Greece. The Experience of Occupation, 1941–44, New Haven/Lon-
don 1995, S. 173 ; Kaspar Dreidoppel : Der griechische Dämon. Widerstand und Bürgerkrieg im besetzten
Griechenland 1941–1944, Wiesbaden 2009 (Balkanologische Veröffentlichungen, 46).
8 Vgl. Mazower, Inside Hitler’s Greece, S. 20 ff.
9 Vgl. Richter, Griechenland im Zweiten Weltkrieg, S. 19.
10 Vgl. Israel Gutman et al. (Hg.) : Enzyklopädie des Holocaust. Die Verfolgung und Ermordung der euro-
päischen Juden, Bd. 1, Berlin 1993 [1990], S. 562.
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen