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299Antisemitische
Verfolgung und antifaschistischer Widerstand im okkupierten Griechenland |
50.000 Menschen ein Fünftel der Stadtbevölkerung ausmachte.35 Insgesamt lebten zum
Zeitpunkt der Okkupation 70.000 Juden und Jüdinnen in ganz Griechenland.36
Mit dem Beginn der Okkupation fiel Thessaloniki – und somit der Großteil der jü-
dischen Bevölkerung Griechenlands – unter nationalsozialistische Kontrolle. Heinz
Kou nio, der 1927 geboren wurde, war ein Jugendlicher, als die Stadt von der Wehr-
macht besetzt wurde.
«Als die Deutschen in Thessaloniki einmarschiert sind, töteten sie gleich zu Beginn eine
Gruppe Juden, etwa ungefähr zehn Personen, bedeutende Menschen, die sie als Geiseln fest-
genommen hatten, um unsere Gemeinschaft in Angst und Schrecken zu versetzen.»37
Während vorerst mit der Einführung antijüdischer Maßnahmen gewartet wurde, verlor
das «Sonderkommando Rosenberg» keine Zeit, den jüdischen Gemeinden ihr Eigen-
tum zu rauben. Dieses Vorgehen erregte aber solchen Unmut in der christlichen Bevöl-
kerung, dass sich Premierminister Tsolakoglou genötigt sah, im September 1941 be-
schwichtigend kundzutun, dass in Griechenland keine antijüdischen Gesetze geplant
seien.38 Zudem fand die Wiederzulassung einer unter Metaxas verbotenen antisemi-
tischen Organisation keinen wesentlichen Widerhall in der griechischen Bevölkerung,
und der Versuch, judenfeindliche Stimmung zu schüren, schlug fehl.39
«Das Drama, das eigentliche, beginnt im Juli des Jahres 1942, das heißt, wir sprechen von
circa einem Jahr und ein bisschen nach dem Einfall der Deutschen in Thessaloniki.»40
Die Drei-Zonen-Okkupation stellte ein administratives Hindernis bei der Durchfüh-
rung der antijüdischen Maßnahmen dar, da das Reichssicherheitshauptamt in dieser
Hinsicht «ein konzentriertes Vorgehen der drei Besatzungsmächte»41 wünschte. Doch
die Italiener zeigten sich ganz und gar nicht kooperationsbereit und wiesen alle Versu-
che, parallel zu den deutschen Maßnahmen in der italienischen Zone dieselben Rest-
riktionen einzuführen, konsequent zurück.
Die Passivität der deutschen Militärverwaltung wurde im Sommer 1942 aufgrund
von Beschwerden der griechischen Behörden beendet, dass nicht nur die christliche,
35 Vgl. Clogg, Geschichte Griechenlands, S. 161.
36 Vgl. Fleischer, Griechenland, S. 248. Zum neuesten Forschungsstand siehe A. Dirk Moses/Giorgos Anto-
niuo (Hg.) : The Holocaust in Greece, Cambridge/New York 2018.
37 AMM, MSDP, OH/ZP1/630, Interview mit Heinz Kounio, Interviewer : Alexios Menexiadis, Athen, 22. 1.
2003, Übersetzung, Z. 39–44.
38 Vgl. Tulla Santin : Der Holocaust in den Zeugnissen griechischer Jüdinnen und Juden, Berlin 2003 (Zeit-
geschichtliche Forschungen, 20), S. 159.
39 Vgl. Fleischer, Griechenland, S. 247.
40 AMM, MSDP, OH/ZP1/630, Interview Kounio, Z. 52–55.
41 Vgl. Fleischer, Griechenland, S. 246.
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen