Seite - 303 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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303Antisemitische
Verfolgung und antifaschistischer Widerstand im okkupierten Griechenland |
ermordet. Am 2. August 1943 kamen mit dem vorletzten Transport 74 «Privilegierte»,
unter denen sich Rabbi Koretz und seine Familie sowie 367 Juden spanischer Nationa-
lität befanden, in das KZ Bergen-Belsen.57
Verfolgung und Deportation der Juden in der italienischen Zone
Als die italienische Regierung unter Marschall Badoglio am 8. September 1943 einen
Waffenstillstand mit den Westalliierten schloss, wurden die italienischen Streitkräfte
in Griechenland von deutschen Einheiten entwaffnet, interniert und Tausende italie-
nische Soldaten ermordet. Damit hatten die Deutschen plötzlich freien Zugriff auf die
Juden und Jüdinnen in der italienischen Zone. Die damals 18-jährige Louisa Ovadia
aus dem nordgriechischen Ioannina berichtet über diese für ihr Leben entscheidende
Veränderung :
«In dem Moment, als die Deutschen kamen, hatten wir sofort Angst, denn es gab ein Gerücht,
dass der Deutsche uns misshandeln wird, uns töten wird, und wir hatten immer Angst.»58
Unmittelbar nach der Übernahme der italienischen Besatzungszone verlangte das SD-
Sonderkommando in Athen vom Oberrabbiner Elias Barzilai die Bildung eines Juden-
rates sowie die Erstellung einer Liste mit allen in Athen befindlichen Juden und Jüdin-
nen. Doch Barzilai entschied sich mit Unterstützung von ELAS-Partisanen zur Flucht
in die Berge, wo er mit seiner Familie bis zum Kriegsende überlebte. Da außerdem
kurz zuvor sämtliche Unterlagen durch Gemeindemitglieder zerstört worden waren,
ordnete die SS eine Zwangsregistrierung an, bei der sich allerdings nur 200 Juden und
Jüdinnen einfanden. Bis Mitte Dezember wurden darum immer wieder Zwangsmel-
dungen durchgeführt, bei denen es einerseits nicht zu Verhaftungen kam und zu denen
man andererseits mit Lebensmittelcoupons lockte, wodurch weitere 1200 Personen re-
gistriert wurden.
Die Situation der jüdischen Bevölkerung in Athen wurde zu diesem Zeitpunkt
durch drei Faktoren wesentlich bestimmt : Zum einen verfügten die nationalsozialis-
tischen Behörden nicht über die nötigen Informationen zu Anzahl, Personaldaten,
Wohn- und Geschäftsadressen der in Athen lebenden Juden und Jüdinnen. Zusätzlich
wandten Wisliceny und Brunner in Athen eine hinterhältige Strategie an, indem man
regelmäßig Desinteresse vermittelte, um so die Juden und Jüdinnen in einem Gefühl
falscher Sicherheit zu wiegen.59 Gleichzeitig fühlten sich die Athener Juden und Jü-
57 Vgl. Fleischer, Griechenland, S. 254 f.
58 AMM, MSDP, OH/ZP1/626, Interview mit Louisa Ovadia, Interviewer : Alexios Menexiadis, Volos, 4. 11.
2002, Übersetzung, Z. 16–18.
59 Vgl. Fleischer, Griechenland, S. 260 f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen