Seite - 307 - in Deportiert nach Mauthausen, Band 2
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307Antisemitische
Verfolgung und antifaschistischer Widerstand im okkupierten Griechenland |
und in den Gaskammern ermordet.70 In Volos, Larisa und Trikala hingegen war die
Mehrzahl der jüdischen Bevölkerung rechtzeitig in die Berge geflüchtet und entkam
der Verfolgung.71
Nach den Deportationen vom Festland wurde die jüdische Bevölkerung
– sofern sie
nicht schon auf dem Seeweg Richtung Palästina geflohen war – von den Inseln depor-
tiert. Am 20. Mai 1944 wurden auf Kreta 300 Juden und Jüdinnen verhaftet und das
Deportationsschiff sank am 8. Juni 1944, vermutlich weil es auf eine Mine aufgelaufen
war. Auf Zakynthos verweigerten zum einen der Bürgermeister und der Bischof die
Kollaboration und zum anderen setzte der deutsche Inselkommandant Alfred Lüth
eine Verzögerungstaktik ein, wodurch genug Zeit gewonnen wurde, um die gesamte
jüdische Gemeinde bei griechischen Familien zu verstecken.72 Ähnliches versuchte
auch der Inselkommandant Oberst Emil Jäger in Korfu zu erreichen, doch dort gelang
es dem SD-Sonderkommando, die Behörden und die Bevölkerung für die Kollabo-
ration zu gewinnen. Hier wurden am 9. Juni 1944 – vier Monate vor dem Abzug der
Wehrmacht aus Griechenland – 1795 Juden und Jüdinnen verhaftet.73 In Einzelfällen
boten jedoch auch dort Griechen ihre Hilfe zur Flucht an. Die 1923 geborene Lina
Velleli sagt jedoch :
«Aber wir hatten nicht den Mut, denn sie schrieben, für jeden, der sich verstecken wird, wer-
den wir Hundert töten. Hundert Personen sind viel. Und leider wurden wir gefasst, die meis-
ten wurden gefangen genommen.»74
Die Juden und Jüdinnen wurden in der Festung von Korfu mehr als eine Woche lang
inhaftiert, wo ihnen Schmuck und Wertgegenstände abgenommen wurden. Als sie mit
kleinen Booten auf die Insel Lefkada gebracht wurden, glückte zwei Personen schwim-
mend die Flucht, wie Vellelis Schwester Matthilde Levy berichtet.75 In Lefkada wurden
70 Die Zahlen nach Fleischer, Griechenland, S. 263 ff. Iason Chandrinos/Anna Maria Droumpouki : The
German Occupation and the Holocaust in Greece. A Survey, in : Moses/Giorgos (Hg.), Holocaust in
Greece, S. 15–35, hier 29 f., nennen eine Zahl von ca. 5000. Nach der von Yad Vashem erstellten Daten-
bank «Zugfahrten in den Untergang» befanden sich 5200 Personen in dem Zug, die Zahl der in Ausch-
witz Angekommenen wird nach einem RSHA-Bericht mit 1700 angegeben, von denen 434 Männer und
Frauen in das Lager eingewiesen wurden. URL : https://deportation.yadvashem.org/index.html?language
=de&itemId=10968067&ind=-1 (28. 9. 2020). Siehe dagegen Czech, Kalendarium, S. 754, wo 2500 ange-
kommene und 648 in das Lager eingewiesene griechische Juden genannt werden.
71 Vgl. Katherine E. Fleming : Greece. A Jewish History, Princeton 2008, S. 139.
72 Vgl. ebd., S. 111 ; Fleischer, Griechenland, S. 266.
73 Vgl. Fleischer, Griechenland, S. 266.
74 AMM, MSDP, OH/ZP1/623, Interview mit Lina Velleli geb. Mizan, Interviewer : Gregorios Psallidas,
Korfu, 14. 1. 2003, Übersetzung, Z. 21–24.
75 AMM, MSDP, OH/ZP1/628, Interview mit Matthilde Levy geb. Mizan, Interviewer : Alexios Menexiadis,
Volos, 26. 8. 2002, Übersetzung, Z. 14–25. Der Abtransport von Korfu nach Lefkada geschah in mehreren
Etappen ab dem 10. Juni 1944.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen