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Deportiert nach Mauthausen, Band 2
Seite - 321 -
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321Schicksale der Häftlinge aus der Sowjetunion | «Ich kann mich an alles erinnern. Ich war geschwollen, meine Mutter war geschwollen  … Die Haut platzte, und Wasser floss  … Brot hat man uns genommen, deshalb gab es Hunger. Bei uns im Dorf starben wahrscheinlich sieben Menschen  …»11 Wassili Kononenko, geboren 1926 im Gebiet Tschernigow (Tschernihiw) in der Ukra- ine, erinnert sich ebenfalls an den Hunger : «Bei uns war es wie überall : Die Leichen sind auf den Wegen gelegen, der Frühling war feucht, kalt, schrecklich, die Leute aufgedunsen, die Frauen aufgebläht, und die Männer sind ge- storben. Von der Kolchose haben sie einen Karren geschickt, er ist durch das Dorf gefahren und hat diese Leichen eingesammelt. […] Und dann hat das Grünzeug schon angefangen, da haben wir alles gegessen. Haben Sprossen von den Linden gegessen  – alle Linden waren zer- pflückt, und wir haben diese Sprossen gegessen  … Klee, Luzerne  … da haben  … die Spitzen hat man abgerissen, gekocht. Alles, was man konnte, alles Grünzeug, alles hat man gegessen. Na, es ist schwer, davon zu erzählen. Von der Sonnenblume  … Sonnenblumen  … der Stängel von ihr  … innen drin hat es so eine Watte, wie  … jetzt gibt es so ein Isolationsmaterial, weiß  … Das haben wir ausgerissen, gegessen. Die Spreu vom Vorjahr hat man genommen, in Mörsern hat man sie zerkleinert, und diesen Staub hat man gegessen, und noch so  … alles, was man kann, hat man gegessen. Das war eine schreckliche Hungersnot.»12 Die erlebte Hungersnot wird buchstäblich in jedem zweiten Interview beschrieben. Aber nicht nur Hunger, auch Repressalien, vor allem der Große Terror von 1937/38 brachte die Familien auseinander, machte viele von den Befragten vaterlos. Auch Sergej Drigas Vater wurde damals ermordet : «Mein Vater ist die ganze Zeit verfolgt worden als Offizier der zarischen Armee. Ein paar Mal ist er festgenommen worden, ja, ein paar Mal ist er also ins Gefängnis gekommen. Na, Be- weise gab’s natürlich keine. Beweis war also, dass er im Generalsmantel in den Urlaub gefah- ren war. Ja, und vielleicht war er wirklich General gewesen ? Aber darüber weiß niemand was. Ich weiß, dass er Stabskapitän war, weil’s noch ein Foto gibt. Er hat dann alle Fotos verbrannt. Stabskapitän, und das Foto zeigt ihn mit dem General Slaschtschjow.13 […] Letztendlich hat 11 AMM, MSDP, OH/ZP1/252, Interview mit Wassili Petrowitsch Dubinin, Interviewer : Alena Koslowa, Novy Oskol, 29. 6. 2002, Transkript, Z. 67–71. 12 AMM, MSDP, OH/ZP1/654, Interview mit Wassili Antonowitsch Kononenko, Interviewerin : Alena Kos- lowa, Moskau, 16. 1. 2003, Übersetzung, S. 15 f. 13 General Jakow  A. Slaschtschjow (1885–1929) hatte im Bürgerkrieg in der Weißen Armee gekämpft und zahlreiche Massaker verübt. 1922 wechselte er die Seiten und trat in die Rote Armee ein. 1929 wurde er in Moskau von einem Überlebenden eines von Slaschtschjows Truppen verübten Pogroms ermordet. Vgl. Eugene Lyons : Assignment in Utopia, New Brunswick 1991, S. 218. Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen Band 2
Titel
Deportiert nach Mauthausen
Band
2
Autoren
Gerhard Botz
Alexander Prenninger
Regina Fritz
Herausgeber
Melanie Dejnega
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21216-4
Abmessungen
16.8 x 23.7 cm
Seiten
716
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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