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426 | Hana Kubátová
Verletzten und Toten auf den Lkw zu verladen. Otto Wagner zufolge wurden diese in
einen verschlossenen Raum innerhalb des Lagers Melk gebracht, wo die Ăśberlebenden
verhungerten, verdursteten oder verbluteten.98 Die ĂĽbrigen ca. 150Â Gefangenen lieĂź
man die Strecke ins Lager Melk zu FuĂź zurĂĽcklegen. Dort angekommen, mussten sie
zunächst einige Stunden lang im Hof stehen ; zu essen oder zu trinken gab es nichts.
Am folgenden Tag ging es per Fußmarsch in die Stadt, von wo eine Fähre die Gefan-
genen ĂĽber die Donau brachte, dann weiter per Bahn in die Stadt Mauthausen und
schlieĂźlich wieder zu FuĂź in das Lager.99
Bereits vor ihrer Ankunft waren sich die drei bewusst, dass es um ihre Ăśberlebens-
chancen im Lager Mauthausen nicht zum Besten stehen würde. Ján Šagát erinnert sich
in diesem Zusammenhang, dass in Melk ein zwölf- oder dreizehnjähriger tschechischer
Bub auf ihn zukam, der folgende Warnung an ihn parat hatte : «Burschen, ihr fahrt in
das schlimmste Lager […]. Dort ist auch eine Gaskammer und alles, ich weiß nicht,
ob sie euch nicht in diese Gaskammer geben.»100 Und auch die mit Nachdruck vor-
gebrachten Beteuerungen von Pavel Branko und Ján Šagát zum Thema Duschen nach
dem Eintreffen im Lager – «das waren normale Duschen, kein Gas»101, «das war nur
eine Dusche, sie haben uns kein Gas oder dergleichen eingelassen»102 – verweisen da-
rauf, dass sie mit dem Schlimmsten rechneten.
Auf eine Dusche mit eiskaltem Wasser folgten die Rasur – «auch unten herum» –,
die Desinfektion103 und die Aushändigung von «Wäsche – den sogenannten Unifor-
men, Sie wissen schon, wie man sie im KZ trug […] Hosen und […] diese gestreiften
Mäntel, ganz, ganz dünne Mäntel».104 In ihrer pyjamaähnlichen Kleidung, die nackten
Füße in Holzpantoffeln, wurden die Neuzugänge auf den Appellplatz getrieben. Otto
Wagner erinnert sich, dass die slowakischen Neuankömmlinge am ersten Tag zehn bis
zwölf Stunden dort verharren mussten, «und dann wiesen sie uns in die Baracke Num-
mer zwölf ein, wo wir auf solchen Stockpritschen schliefen – oder eher lagen und auf
dünnen Brettern schliefen ; und ungefähr so ging es weiter».105 «Ungefähr so» meint
stundenlanges Stehen auf dem Appellplatz in unzureichender Bekleidung und zwei
Mal pro Tag Suppe – lauwarmes Wasser mit Kartoffelschalen, Karotten und Rüben.
Otto Wagner betont in diesem Zusammenhang, dass
«schlimmer als Hunger […] diese Kälte [war]. Stellen Sie sich vor – wir standen auf diesem
riesigen Platz, es war Februar, es hatte zwölf, manchmal fünfzehn Grad Minus, in leinenen
98 AMM, MSDP, OH/ZP1/357, Interview Wagner.
99 AMM, MSDP, OH/ZP1/352, Interview Branko.
100 AMM, MSDP, OH/ZP1/346, Interview Šagát.
101 AMM, MSDP, OH/ZP1/352, Interview Branko.
102 AMM, MSDP, OH/ZP1/346, Interview Šagát.
103 Ebd.
104 AMM, MSDP, OH/ZP1/357, Interview Wagner.
105 Ebd.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen