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476 | Helga Amesberger und Brigitte Halbmayr
Inhaftierungen vor Mauthausen
Für sehr viele Frauen war Mauthausen eine Station von vielen, die sie zumeist gegen
Ende ihrer gesamten Verfolgungszeit erreichten. Wie oben bereits ersichtlich, waren
es vor allem zwei Faktoren, die den Haftweg der Frauen maßgeblich beeinflussten :
ihre Nationalität und der Verfolgungsgrund. Die schematische Darstellung der Haft-
wege nach Nationalität (siehe Abb. 1) illustriert die Variationen wie auch die Über-
einstimmungen bei den Haftwegen gleichermaßen. Die Korrelation von nationaler
Zugehörigkeit zum Zeitpunkt der Verfolgung und den Stationen des Haftweges (wo-
bei hier wiederum der Verfolgungsgrund stark interveniert) ergibt, dass in unserem
Sample die Haftwege der Belgierinnen, Französinnen, Griechinnen, der Jüdinnen aus
Böhmen und Mähren74 sowie der Slowakinnen ziemlich uniform verliefen. Große
Variationen gibt es allerdings bei den ungarischen Jüdinnen. Eine sehr wahrschein-
liche Erklärung für deren heterogene Verfolgungswege ist der Zeitpunkt der Verhaf-
tung. Jene interviewten ungarischen Jüdinnen, die bereits im Frühjahr 1944 aus ih-
ren Sammelwohnungen und den Ghettos getrieben wurden, kamen auf Transporten
nach Auschwitz, wo ein Großteil von ihnen in den Gaskammern ermordet wurde.75
Horthy stoppte diese Deportationen Anfang Juli 1944, aber mit der Machtübernahme
der radikalfaschistischen Pfeilkreuzler im Herbst 1944 begannen sie erneut.76 Die ab
Herbst 1944 verhafteten ungarischen Jüdinnen wurden entweder nach Ravensbrück
verschleppt77 oder zu Fuß in Zwangsarbeitslager in Wien und Niederdonau bzw. ent-
lang der ungarisch-österreichischen Grenze zum Bau des sogenannten Südostwalls
getrieben.78 Als die Rote Armee herannahte, evakuierte man die Lager entlang des
74 Alle Interviewpartnerinnen aus Böhmen und Mähren wurden als Jüdinnen verfolgt, eine davon auch als
Widerstandskämpferin.
75 Die ersten Transporte aus Ungarn kamen am 2. 5. 1944 in Auschwitz an. Ab Mitte Mai fuhren entspre-
chend einem zuvor in Wien ausgehandelten Transportplan täglich vier Transportzüge entweder über
Košice (Kaschau) oder Bratislava nach Auschwitz-Birkenau. Vgl. Szita, Ungarn in Mauthausen, S. 48 f.;
Szita, Verfolgung – Zwangsarbeit im Burgenland, S. 3 f.
76 Siehe dazu im Detail den Beitrag von Regina Fritz in diesem Band.
77 Dies korrespondiert mit den sukzessiven Überstellungen von (jüdischen) Häftlingen aus Auschwitz-
Birkenau nach Ravensbrück ab Ende Oktober 1944. Vor Ende Oktober kamen nur vereinzelt ungari-
sche Jüdinnen nach Ravensbrück. Die erste große Überstellung aus Auschwitz (Überstellung Nr. 32)
mit 667 Häftlingsfrauen, darunter auch Ungarinnen, wurde am 29. 10. 1944 in Ravensbrück registriert
(Nr. 80.157–80.823), am 3. 11. 1944 folgten weitere rd. 2000 Jüdinnen, darunter ebenfalls ungarische Jü-
dinnen (Überstellung Nr. 33, Häftlingsnummern 81.200 bis 83.195). Ab Anfang November – der erste
Transport aus Ungarn wurde am 9. 11. 1944 registriert – wurden zahlreiche (jüdische) Ungarinnen in
sogenannten Sondertransporten aus Preschau/Prešov (Nr. 114), Wien (Nr. 115), Gomarom [vermutlich
Komárom] (Nr. 116), Budapest (Nr. 117, 118, und 123), Sered’ (Nr. 119) und Gomarom [vermutlich
Komárom] (Nr. 129) nach Ravensbrück deportiert. Vgl. Grit Philipp : Kalendarium der Ereignisse im
Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück 1939–1945, unter Mitarbeit von Monika Schnell, Berlin 1999,
S. 238–331.
78 Da diese zwangsrekrutierten Jüdinnen und Juden großteils bereits so geschwächt in Hegyeshalom anka-
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen