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Katarzyna Madoń-Mitzner
Die Warschauer Deportierten von 1944
Darstellung des Gruppenschicksals
Zur polnischen Erinnerungsgeschichte
Im August und September 1944 deportierten die Deutschen aus dem aufständischen
Warschau einige Tausend Bewohner, die nach Mauthausen gelangten.1 Einen Teil von
ihnen überstellte man dorthin nach einer mehrwöchigen Quarantäne in Auschwitz,
andere unmittelbar aus Warschau, das heißt eigentlich aus dem Durchgangslager in
Pruszków. Unter den polnischen Überlebenden, die im Rahmen des Mauthausen
Survivors Documentation Project (MSDP) interviewt wurden, stellen diese Warschauer
Deportierten des Jahres 1944 die größte und einheitlichste Gruppe der polnischen
Häftlinge dar. Sie alle waren Warschauer, zum Großteil ganz junge Männer, oft noch
minderjährig (der jüngste Zeitzeuge war damals zwölf Jahre alt) ; deportiert wurden sie
entweder allein oder mit ihren Familien
– mit den Vätern und Brüdern. Die weiblichen
Deportierten wurden in der Regel in Frauenlager gebracht, vor allem in verschiedene
Außenlager von Ravensbrück.
In der polnischen Geschichtsschreibung ist diese Gruppe bisher kaum behandelt
worden, bis heute gibt es daher auch viele Missverständnisse. Menschen aus dieser
Gruppe werden meistens als Aufständische beschrieben, die nach der Kapitulation ins
Lager kamen oder – seltener – als Zivilisten, die nach dem Aufstand aus der Stadt ver-
trieben und ins Lager deportiert wurden. In Wahrheit wurden sie ab den ersten Tagen
des Aufstands deportiert, nicht als aktive Kämpfer, die mit der Waffe in der Hand ge-
fasst wurden, sonders als einfache Stadtbewohner, die oft direkt aus ihren Wohnungen
in den von den Deutschen zurückeroberten Bezirken geholt wurden, als Opfer der
kollektiven Verantwortung oder eher aus Rache für den Aufstand. Oder auch vorbeu-
gend – als potenzielle Gegner. Manche von ihnen hatten zwar mit dem Aufstand zu
tun, aber eher in freiwilligen Hilfseinheiten, wie in der von Pfadfindern organisierten
Feldpost, in der Feuerwehr oder im Luftschutzdienst. Einige konnten oder wollten sich
dem Aufstand nicht anschließen, viele versuchten nur einfach in der belagerten Stadt
zu überleben ; es gab auch solche, die freiwillig dem Aufruf der Deutschen, sich nicht
am Aufstand zu beteiligen, folgten, da sie schlimmere Repressalien befürchteten.
In den Berichten aus dem schwedischen Lund, in denen unmittelbar nach dem
Krieg die Schilderungen polnischer weiblicher Häftlinge aus Ravensbrück niederge-
1 Besonderer Dank gebührt Gerhard Botz für die sorgfältige Revision meines Manuskripts.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen
Band 2
- Titel
- Deportiert nach Mauthausen
- Band
- 2
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Melanie Dejnega
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21216-4
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 716
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen