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Deportiert nach Mauthausen, Band 2
Seite - 512 -
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512 | Katarzyna Madoń-Mitzner schrieben wurden, bezeichnete man diese Gruppe als «evakuiertes Warschau»,2 was wie ein Echo der deutschen Propagandaterminologie klingt, nach der die Bevölkerung aus der Stadt evakuiert wurde, um sie vor Kriegshandlungen zu «schützen». Offen- sichtlich wurde diese Bezeichnung auch im Konzentrationslager verwendet. Danach scheint sie nie wieder auf. Im Lager wurden sie als «die aus dem Aufstand» bezeichnet ; sie selbst identifizierten sich oft (wenn auch nicht immer) mit diesem Ethos  – beson- ders jene, die während der Besatzung in der Pfadfinderorganisation «Graue Reihen» (Szare Szeregi) oder in anderen Untergrundbewegungen tätig gewesen waren. In den Berichten von «alteingesessenen» Häftlingen klingt zuweilen ein wenig Verachtung an  – die angeblichen Aufständischen erwiesen sich oft als einfache, zufällig angehal- tene Zivilisten. Nach dem Krieg wurden sie an den Rand des offiziellen Gedenkens der polnischen politischen KZ-Häftlinge gedrängt. Jahrelang haben die ehemaligen Häftlinge sie von oben herab behandelt, da sie eine «hohe Häftlingsnummer» hatten, das heißt nur ei- nige Monate im Lager gewesen waren. In den Warschauer Klub der ehemaligen Häft- linge von Mauthausen-Gusen wurden sie erst sehr spät aufgenommen ; in der Volksre- publik Polen waren sie politisch sehr unbequem, da man vom Aufstand offiziell nicht sprach. In die inoffizielle Gedenkbewegung des Warschauer Aufstandes passten sie auch nicht, da sie für die dominante Erinnerungskultur nur Opfer und nicht «Helden» des Aufstands waren. Seit den 2000er Jahren sind sie in der Warschauer Gruppe der ehemaligen Häftlinge von Mauthausen-Gusen die aktivsten, da sie am jüngsten und am zahlreichsten sind. Einst an den Rand gedrängt und in Geschichtsbüchern sowie Erinnerungen, die von den «alteingesessenen» Häftlingen verfasst wurden, übergan- gen, tragen sie nun das Gedenken an die Polen in Mauthausen-Gusen weiter. Nach wie vor sind sie jedoch unbequeme Zeitzeugen des Aufstands ; sie sind zivile Opfer, die man im Museum des Warschauer Aufstands und bei den alljährlichen Jahrestagsfeiern verschweigt. Im Museum ist zwar von jenen Personen die Rede, die während des Au- gustmassakers im Bezirk Wola ermordet wurden, jedoch nicht von den Ermordeten in den Konzentrationslagern.3 2 Im Archiv der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück befindet sich die kopierte Sammlung der schriftlichen Be- richte/Stenogramme aus dem Polnischen Quelleninstitut Lund aus den Jahren 1945/46, die als «Proto- kolle von Zeugenaussagen» bezeichnet werden. Unter den ehemaligen weiblichen Häftlingen des Lagers Ravensbrück, mit denen damals Interviews durchgeführt wurden, befindet sich eine ziemlich große Gruppe von Frauen, die im August/September 1944 ins Lager kamen. Diese Frauen verwenden die Be- zeichnung «evakuiertes Warschau» ; vgl. Zeugenprotokoll 75 : M. J., geb. 1915, berichtet : «Ich war in der Zeit vom 15. 8. 1944 bis zum 15. 9. 1944 als ‹evakuiertes Warschau› im KZ Ravensbrück.» 3 Im Bezirk Wola ermordete die «Kampfgruppe Reinefahrt» der SS-Brigade Dirlewanger am 5. August und an den folgenden Tagen ca. 30.000 bis 40.000 Menschen. Zu ähnlichen Massakern kam es im Be- zirk Ochota durch die Kaminski-Brigade. Vgl. Włodzimierz Borodziej : Der Warschauer Aufstand 1944, Frankfurt a. M. 2004, S. 122 f.; Timothy Snyder : Bloodlands. Europe between Hitler and Stalin, London 2010, S. 302–305. Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Deportiert nach Mauthausen Band 2
Titel
Deportiert nach Mauthausen
Band
2
Autoren
Gerhard Botz
Alexander Prenninger
Regina Fritz
Herausgeber
Melanie Dejnega
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21216-4
Abmessungen
16.8 x 23.7 cm
Seiten
716
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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