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44 i- Einführung
Entwürfe manchmal wie einen Flickenteppich zusammen. Er ist ein Meister sowohl der
motivischen Arbeit als auch der ökonomischen Vorgehensweise. Andererseits verbindet
er die verschiedenen Ingredienzen zu einer musikalisch logisch verlaufenden Einheit und
schafft damit immer wieder große symphonische Filmmusik ganz in der Tradition seiner
europäischen Vorläufer.
Dass sich Komponisten von anderen inspirieren lassen, ist nichts Neues. Dass Kom-
ponisten immer wieder auf eigenes Material zurückgreifen, ebenfalls. So formt sich et-
was, das man als originäre Sprache des Komponisten bezeichnen kann. Steiner bemerkt
in seiner Autobiografie nicht zu Unrecht, dass alle großen Komponisten, sei es Mozart,
sei es Beethoven, immer wieder aus eigenen Werken zitierten.51 Auch ein anerkanntes
musikalisches Genie wie Mozart hatte als einer der ersten freischaffenden Komponisten
die Niederungen der kommerziellen Auftragsarbeiten zu bewältigen, um sein wirtschaft-
liches Überleben zu sichern. Mozart hat sich in diesen Werken ebenso wie in seinen
Meisterwerken oft wiederholt, eigene Klischees bedient oder eben auch das, was von sei-
nen Auftraggebern erwartet wurde. All dieses hatte natürlich einen sehr hohen künstleri-
schen oder zumindest kunsthandwerklichen Standard.
Es gibt die Theorie des perfekten Prima Vista-Spiels. Jemand, der die meisten Sonaten
Mozarts gespielt hat, wird die anderen fast fehlerfrei vom Blatt spielen, da er mit der
musikalischen Sprache des Komponisten vertraut ist. In Versuchen hat man solch ver-
sierten Spielern fehlerhafte Ausgaben vorgelegt. Trotzdem haben sie korrekt gespielt, sie
haben die Fehler im Sinne des Komponisten überspielt und bereinigt. Dies ist ein Beleg
dafür, dass sich bei einem Komponisten viele Phrasen, Motive, harmonische Wendun-
gen, also kompositorische Eigenheiten, formelhaft wiederholen und nur durch die indi-
viduelle schöpferische Kraft eine persönliche Prägung erfahren.53
Wenn also Komponisten wie Mozart oder Beethoven als freischaffende Künstler ihre
sich wiederholende musikalische Formsprache hatten, dann gilt dies natürlich umso
mehr für einen Filmkomponisten wie Steiner.
Die Diskussion, ob das Prinzip l'artpour l'art gegenüber jedweder Auftragsmusik nun
höher zu bewerten sei, ist indes nicht neu, denn bereits in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts entbrannte ein Streit darüber, ob Musik als künstlerische Ausdrucksform
sich selber genüge oder ob man Musik einer poetischen Idee unterordnen könne oder
52 Notes To You. S. 201
53 Vgl. Robert Jourdain: Das Wohltemperierte Gehirn. Spektrum Akademischer Verlag GmbH. Hei-
delberg, 2001. S. 277: „Wenn erfahrenen Vom-Blatt-Lesern traditionelle Musik mit harmonischen
Fehlern vorgelegt wird, korrigieren sie die Fehler meistens, ohne sie zu bemerken. Oft finden sie
diese Fehler noch nicht einmal, wenn sie wissen, dass welche vorhanden sind. Sie wissen, wie solche
Musik klingen muss."
Der Filmkomponist Max Steiner
1888 - 1971
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Der Filmkomponist Max Steiner
- Untertitel
- 1888 - 1971
- Autor
- Peter Wegele
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 302
- Schlagwörter
- Film Music, Biography, Cinema, Musical science, Musicology, History of Music
- Kategorie
- Biographien