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$6 i. Einführung
sage, dass die Verwendung von Leitmotiven im Film „eine heikle Sache" sei, da viele Zu-
schauer einen Film nur einmal sehen würden und daher keine Zeit hätten, die musikali-
schen Themen zu speichern und wiederzuerkennen — wobei es ihrer Meinung nach nicht
wichtig ist, die Themen zu erkennen, da sie auch durch ihre strukturellen und emotio-
nalen Wirkungen auf die Zuschauer wichtige Bedeutung hätten. Allerdings zieht sie den
Schluss, dass diese im kommerziellen Film zu vermeiden seien.84
1.2.6.
Während die Leitmotive direkten Bezug zu Handlung und Charakteren herstellen, spielt
sich das harmonische Geschehen auf einer für den normalen Zuschauer eher unterbe-
wusst wahrgenommenen Ebene ab. Dies gilt sowohl für das Musiktheater Wagners als
auch für die Musik des Filmkomponisten Steiner.
i.2.6.1. Die „unendliche Harmonie" bei Richard Wagner
Bei Wagner besteht durch die so von ihm selbst bezeichnete „unendliche Harmonie"
und die „unendliche Melodie" ein steter, die Handlung begleitender musikalischer Fluss,
so wie dies Steiner mit dem underscoring (siehe 1.2.6.2) für die Filmmusik eingeführt hat.
Diesen harmonisch-musikalischen Verlauf unter rein funktionsharmonischen Gesichts-
punkten zu betrachten würde viel zu kurz greifen. Die Harmonik wird suggestiv ange-
wendet, Farbenwechsel und Kontraste unterstützen den dramaturgischen Verlauf. In ei-
nem Aufsatz schrieb der Pianist Glenn Gould:
„Wagner ... anticipated the dissolution of the tonal language and had stretched the cog-
nizance of harmonic psychology to apoint that some regarded as the verylimit of human
endurance."8s
In der Tat gingen die harmonischen Kühnheiten Wagners an die Grenze dessen, was
seine Zeitgenossen noch als annehmbar empfinden konnten. Da sich die harmonische
Ebene unterhalb der dramaturgischen Ebene abspielte, wurden auch diese harmoni-
schen Errungenschaften eher auf einer unbewussten Ebene wahrgenommen. Mit Si-
cherheit ist diese subjektive Behandlung des harmonischen Unterbaus durch Richard
84 Vgl. Bullerjahn, 2001. S. 217-219.
85 Glenn Gould: The Glenn Gould Reader. Faber and Faber Ltd. London, 1984. S.
Der Filmkomponist Max Steiner
1888 - 1971
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Der Filmkomponist Max Steiner
- Untertitel
- 1888 - 1971
- Autor
- Peter Wegele
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 302
- Schlagwörter
- Film Music, Biography, Cinema, Musical science, Musicology, History of Music
- Kategorie
- Biographien