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1.3. Filmmusik und das Musiktheater 6y
Hinzu kommt natürlich der Einfluss Wagners, der mit seinem Musiktheater die mu-
sikalischen Formeln der Leitmotivik und der suggestiven Harmonik geprägt hat. Schön-
berg schreibt in seiner Harmonielehre, dass das Fehlen von funktionsharmonischen
Strukturen ein Erkennungsmerkmal der romantischen Oper sei:
„Denn die einzige musikalische Kunstform, die ein solches [tonales; d. A.] Zentrum
nicht hat, die Oper, ist bloß ein Beweis für die andere Möglichkeit: für die aufgehobene
Tonalität."106
Diese Verwendung von musikdramatischen Gestaltungsmitteln, wie die einerseits vielge-
staltige motivische Arbeit mit mehreren klar zugeordneten musikalischen Leitmotiven,
die Kunst der Verschmelzung und Überleitungen der Motive sowie der suggestive Ge-
brauch der Harmonien rücken Richard Wagner in die Nähe der Rolle des Wegbereiters
der modernen Filmmusik, eines Mediums, von dem er zu Lebzeiten selbstverständlich
nicht einmal im Entferntesten annehmen konnte, dass dies jemals existieren würde. Die
Bedeutung der Arbeit Richard Wagners für die Filmmusik hat Max Steiner selber einmal
in einem Interview mit Tony Thomas recht eindeutig definiert.
„Listen to the incidental scoring behind the recitatives in his operas. If Wagner had lived
in this Century, he would be the Number One film composer."107
Es gibt natürlich strukturell bedingte Unterschiede. Als Filmkomponist hatte Steiner,
anders als sein Vorbild Wagner, nicht mehrere Stunden Zeit, Handlung und Musik in
epischer Breite oder undurchsichtiger Raffinesse voranzubringen, sondern hatte in kur-
zen Takes von manchmal nur io bis 30 Sekunden diese dramaturgischen Aufgaben zu
erfüllen. Um so mehr ist denn auch das musikalische Schaffen Steiners wie ein Destillat
seiner europäischen Vorläufer zu sehen. Einerseits weist uns das Studium der Partitu-
ren Wagners, aber auch Mahlers, Debussys oder Strawinskys den Weg zum Verständnis
von Komponisten wie Steiner, Korngold oder Newman, die diese Kompositions- und
Orchestrierungstechniken in einen neuen Kontext eingebunden haben. Andererseits ist
die sinfonische Filmmusik, wie sie im Übrigen heutzutage wieder von Protagonisten wie
John Williams komponiert wird, eine legitime Form der Weiterführung der modernen
sinfonischen Musik, wenn auch, im Hinblick auf den auf rein kommerziellen Erfolg hin
ausgerichteten Studiobetrieb in Hollywood, eine äußeren Zwängen unterworfene.
106 Arnold Schönberg: Harmonielehre. Universaledition, 1986. S. 445.
107 Zit. in: Tony Thomas: Max Steiner: Vienna, London; New York andFinally Hollywood. S. 19.
Der Filmkomponist Max Steiner
1888 - 1971
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Der Filmkomponist Max Steiner
- Untertitel
- 1888 - 1971
- Autor
- Peter Wegele
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 302
- Schlagwörter
- Film Music, Biography, Cinema, Musical science, Musicology, History of Music
- Kategorie
- Biographien