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und dann während der Aufnahmen als Playback dazugespielt (siehe 3.3). Als Referenz für
die musikalische Analyse dienten zum einen die CD mit der Aufnahme des Soundtracks
und die DVD mit dem Spielfilm. Da der Film auf der DVD im englischen Original und
auch in der deutschen und spanischen Synchronfassung zu sehen ist, wurde hier ein di-
rekter Vergleich vorgenommen. Dabei ist aufgefallen, dass in beiden Synchronfassungen
die Musik größtenteils geändert worden ist. Dies liegt daran, dass in den Filmen bis ca.
1944 die Tonspuren sowohl die Dialoge als auch die Musik enthielten. So musste zum
Beispiel in der deutschen Fassung ein Großteil der Musik, die als underscoring hinter den
Dialogen sowieso nicht wirklich deutlich zu hören ist, neu aufgenommen werden. Clau-
dia Bullerjahn empfiehlt in diesem Zusammenhang einmal den Vergleich zwischen der
englischen Originalversion des Klassikers Citizen Kane von Orson Welles mit der Musik
von Bernard Herrmann und der deutschen Synchronfassung, bei der eine völlig andere
Musik zu hören sei als die Originalmusik von Herrmann.138
Eine Anfrage des Autors bei der Synchronabteilung des ZDF ergab keine Antwort
auf die Frage, wer die Musik Steiners neu eingespielt hat. In jedem Fall sind Duktus und
auch die Instrumentation in einem Maße abweichend vom Original, dass für diese Ar-
beit nur die englische Originalfassung als Referenz infrage kommt. In den Vierzigerjah-
ren gab es noch keine Filmsoundtracks. Daher hat man sich auch nicht darum bemüht,
alle Orchesteraufnahmen extra zu archivieren. 1956 hat Jack Warner alle Aufnahmen der
Zeit vor 1950 verkauft. So konnten nur noch etwa 20 Minuten der Originalmusik aufge-
trieben werden, als man sich 1997, also über 50 Jahre nach Erstaufführung des Films, bei
Time/Warner entschloss, einen Soundtrack des Films Casablanca zu veröffentlichen.
Das Kino zu Steiners Zeiten war noch weit weg von den technischen Möglichkeiten,
die den Sounddesignern heute zur Verfügung stehen. Heutzutage stellt es natürlich kein
technisches Problem mehr dar, reine Musikfassungen oder Fassungen mit O-Tönen als
Soundtrack zu produzieren.
Heutzutage wird auch nicht mehr nur unterschieden zwischen O-Ton/Dialog und
Musik, wo dann bei jedem gesprochenen Wort die Musik in den Hintergrund gemischt
wird. In der heutigen Filmpraxis gibt es die sogenannte emotionale Mischung. Dabei
werden alle akustischen Elemente, also Dialog, Originalgeräusche, Ambientgeräusche,
Soundeffekte sowie die Musik als gleichberechtigt behandelt. Je nach dramaturgischer
Vorgabe werden die einen oder die anderen Elemente hervorgehoben, mal wird von der
238 Claudia Bullerjahn. S. 138. Ebenso Hansjörg Pauli: Funktionen von Filmmusik, in: Helga da la Mot-
te-Haber (Hrsg.): Film und Musik. B. Schott und Söhne. Mainz, 1993. S. 16. Pauli schreibt dort:
„Im amerikanischen Original, in der italienischen und in der deutschen Synchronfassung sieht man
dreimal dieselbe Szene, hört jedes Mal eine andere Musik ..."
Der Filmkomponist Max Steiner
1888 - 1971
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Der Filmkomponist Max Steiner
- Untertitel
- 1888 - 1971
- Autor
- Peter Wegele
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 302
- Schlagwörter
- Film Music, Biography, Cinema, Musical science, Musicology, History of Music
- Kategorie
- Biographien