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>mcs_lab> - Mobile Culture Studies, Band 1/2020
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Mobile Culture Studies | >mcs_lab> 1 (2020) Johanna Rolshoven, Judith Laister | Die Straße — Ein Stadtraum in Bewegung 9 Klaus Schönberger befasst: die Straße als politischer Raum und Ort sozialer Bewegungen.6 Und gekonnt ging Simone Wörner dem ‚Stoff, aus dem die Straßen sind…‘ nach: dem Asphalt, und wies ihn aus als wegbereitendes Material, an dem sich die politische Geschichte der Moderne aufzeigen lässt. Sie reicht von der Geburt der Großstadt, wo die Straßen „die Wohnung des Kollektivs“ darstellten, wie Walter Benjamin schrieb: „Das Kollektivum ist ein ewig waches, ewig bewegtes Wesen, das zwischen Häuserwänden soviel erlebt, erfährt, erkennt und ersinnt wie Individuen im Schutz ihrer vier Wände“7, bis zur NS-Zeit. Zwischen 1933 und 1945 kommt eine ambivalente Gemengelage zum Tragen zwischen exzessivem Straßenbau im Dienste der faschistischen Aufmarschgewalt auf der einen Seite und Blut-und-Boden-Ideologie auf der anderen, die das Ungeteerte, Großstadtferne rühmt: „Denn auf den Asphaltplatten […] wächst Brauchtum nicht“, schrieb 1934 Hanns Koren8. Mit solcher Repräsentation des reinen Ländlich- Bodenständigen konnte sich die gewaltvolle Machtergreifung der Diktatur ideologisch rüh- men. Joseph Goebbels schreibt 1943 in seinem „Kampf um Berlin“: „Die Straße ist nun einmal das Charakteristikum der modernen Politik. Wer die Straße erobern kann, der kann auch die Masse erobern; nur wer die Masse erobert, erobert damit den Staat.“9 In der „Unwirtlichkeit“ der städtischen Nachkriegsmoderne10 dann wird die Straße zuse- hends vom Moloch Verkehr eingenommen, gewissermaßen ‚überfahren‘. Das ‚Kollektiv zwi- schen (einander gegenüber liegenden) Häuserwänden‘, als die kritischen, sich von unten poli- tisch konstituierenden Öffentlichkeiten im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, die der Faschis- mus zu brechen suchte, wird mit dem automobilen Massenverkehr vollständig durchschnitten und gibt sich der Illusion einer mobilen individualisierten fortgeschrittenen Moderne hin. Die Straße als gefährlicher, lärmiger, Mensch, Natur und Stadt schädigender Stadtraum ver- schwand dann irgendwie auch aus der kulturwissenschaftlichen Stadtforschung, so als höre deren Zuständigkeit bei der Technisierung auf. Die frühen Forschungen und Publikationen sind wegbereitend für die Untersuchung von Straßengeschehen als Ortungsraum und Resonanzboden gesellschaftlicher Produktionsver- hältnisse und Konflikte, wie sie beide Transformationsprozesse bedingen. Als mobilisierba- rer Alltagsraum wird die Straße mit der Moderne zum Ort des Umbruchs, der Veränderung, metaphorisch verdoppelt durch die Rede von „der Straße“, als denunzierende Bezeichnung der widerständigen Unterschichten, deren Lebensraum sie angesichts desolater, elender städtischer Wohnverhältnisse wurde. Die Straße eignet sich, gleich einem fait social total, um zentrale Gesellschaftsthemen der Gegenwart in ihrem Interagieren zusammenzudenken und diese Komplexität kulturanalytisch präsent zu machen: das Intermingling der Alltage und Lebenswelten mit Politik, ihrer Ökono- 6 Bernd Jürgen Warneken: Massenmedium Straße. Zur Kulturgeschichte der Demonstration. Frankfurt/M., New York 1991; Klaus Schönberger, Ove Sutter (Hg.): Kommt herunter, reiht Euch ein… Eine kleine Geschichte der Protestformen sozialer Bewegungen. Hamburg, Berlin 2009. 7 Walter Benjamin: Das Passagenwerk (=Gesammelte Schriften, Bd. V,1). Hg. Rolf Tiedemann. Frankfurt/M. 1983, 1051, zit. n. S. Wörner: Asphalt – Stoff der Grossstadt. In: Thomas Hengartner, Johanna Rolshoven (Hg.), Technik – Kultur. Formen der Veralltäglichung von Technik – Technisches als Alltag. Zürich 1998, 121-139, 129. 8 Hanns Koren: Volksbrauch und Kirchenjahr. Salzburg, Leipzig 1934, 18, zit. n. Wörner 134. 9 Joseph Goebbels: Kampf um Berlin. München 194324, 27; zit. n. Wörner, 135. 10 Vgl. Alexander Mitscherlich: Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Anstiftung zum Unfrieden. Frankfurt/M. 1965.
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>mcs_lab> Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
Titel
>mcs_lab>
Untertitel
Mobile Culture Studies
Band
1/2020
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
108
Kategorien
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