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Mobile Culture Studies | >mcs_lab> 1 (2020)
Johanna Rolshoven, Judith Laister | Die Straße — Ein Stadtraum in Bewegung 11
Städte und formen aus den dortigen Begegnungen und Erfahrungen dichte, selbstreflexive,
akteurszentrierte Beschreibungen. Valentino Filipovic begleitet in seinem Text „Gespräche im
Gehen. Zur narrativen Erfahrung im Stadtraum“ drei BewohnerInnen der Stadt Graz zu Fuß
durch von ihnen ausgewählte, vertraute Straßenzüge. Auf diesen Spaziergängen, die er unter
methodologischer Reflexion gezielt als empirische Wahrnehmungstechnik einsetzt, fragt er
seine Gesprächspartner_innen nach der Bedeutung von Begegnungen in der Stadt sowie nach
den individuellen Erinnerungen, Erfahrungen und Erlebnissen an den jeweiligen Orten. Auf
diesen gemeinsamen Streifzügen erhält der Stadtforscher einen Einblick in jene Schichten des
komplexen, wissenschaftlich schwer greifbaren Gebildes der Stadt, die dem Auge der Betrach-
ter_innen sonst verborgen bleiben. Begegnungen und Bewegungen auf der Straße beschäftigen
auch Johanna Menhard in ihrem Text „Entanglements on and with the street. Ethnographical
explorations on intra-actions of smartphones and bodies in motion“. Die empirische Grund-
lage für ihr, wie sie es selbst nennt, „storytelling“ bildet eine autoethnografische Reise, die
sie von Frühling 2018 bis Sommer 2019 in verschiedene europäische Städte (von Wien über
Warschau nach Tartu, Laupa, Tallinn, Helsinki und Stockholm) unternommen hat. Basierend
auf Gesprächen mit anderen Smart-Phone-Nutzer_innen über den Gebrauch ihres Geräts im
Straßenraum reflektiert sie das Gehen auf städtischen Straßen vor dem Hintergrund von Digi-
tal Maps, GPS-Navigationen und Smartphone Apps mit unterschiedlichen Funktionen und
diskutiert technologische Akteure – von dating- über accomodation- bis hin zu self-tracking-
Apps – als ko-relationale Bestandteile des alltäglichen Straßenlebens.
Im zweiten Teil (Kritik der Straße) untersuchen Sabrina Stranzl und Anna Riegler so unter-
schiedliche Tätigkeitsfelder wie Sexarbeit und Street Art & Graffiti auf ihr politisches Poten-
tial im alltäglichen Straßenleben. Sabrina Stranzl wendet sich in ihrem Text „Your ignorance
is more scandalous than my promiscuity“ den Aneignungspraktiken des öffentlichen Raums
durch Sexarbeiterinnen zu. Mit Fokus auf weibliche, heterosexuelle Prostitution im öffentlichen
Straßenraum fragt sie nach dem widerständigen Potential und der Handlungsmacht von Sex-
arbeiterinnen. Basierend auf ethnografischen Forschungen in Amsterdam, Den Haag, Graz
und Wien sowie einem Einblick in die lange Geschichte der staatlichen und kommunalen
Regulierung von Sexarbeit konstatiert Sabrina Stranzl für die jüngste Zeit eine zunehmende
Verdrängung des Prostitutionsgewerbes aus dem öffentlichen Raum. Sie diskutiert Geschichte
und Gegenwart des Straßenstrichs als Schauplatz des Politischen im Sinne einer permanenten
Verhandlung von Rechtslage und Widerständigkeit, wobei sie das Recht auf freien und gleichen
Zugang mit Blick auf die Geschichte der SexarbeiterInnen als historische Utopie nachzeich-
net. Der Straßenlandschaft als Raum des hegemonialen Ringens um Sichtbarkeit widmet sich
auch Anna Riegler in ihrem Beitrag „Die urbane Zeichenlandschaft. Aushandlungsprozesse
um Stadttext.“ Ihr Interesse gilt dabei nicht den offiziell angebrachten, dominanten Verkehrs-
schildern und Werbebotschaften, die primär reglementierenden und kommerziellen Zwecken
dienen. Vielmehr interessiert sie sich für alternative Kommunikationsformen in der urbanen
Zeichenlandschaft wie gesprayte Schriftzüge, Sticker, Plakate und Kunstwerke. Diese Zei-
chen untersucht sie mit einem stadtsemiotischen Zugang, wobei sie die Stadt als Text und die
Straße als semiotischen Raum betrachtet. Dabei identifiziert sie unterschiedliche Formen des
Sich-Einschreibens in den Stadttext und analysiert dessen Konstituierung sowie den Umgang
mit unautorisierten Eingriffen als Ausdruck sozialer Kämpfe um städtisches Territorium.
>mcs_lab>
Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
- Titel
- >mcs_lab>
- Untertitel
- Mobile Culture Studies
- Band
- 1/2020
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 108
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal