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Mobile Culture Studies | >mcs_lab> 1 (2020)
Sabrina Stranzl | “Your ignorance is more scandalous than my promiscuity” 47
timierte Gestaltung seiner Funktionen bildet‘“.15 Diesem Anspruch wird der öffentliche Stra-
ßenraum aber so nicht gerecht. Denn der öffentliche Raum lässt sich mit Petra Unger als „ein
hierarchisierter Ort, der entlang sichtbarer und unsichtbarer Linien, Einschlüsse und Ausgren-
zungen produziert und vor allem vielfach umkämpft ist“, beschreiben.16
Pierre Bourdieu unterscheidet zwischen physischem Raum (gebaute Umwelt) und sozialem
Raum (Darstellungsfläche). „Dieser soziale Raum spiegele die gesellschaftliche Ordnung und
ihre Institutionen in einer ortspezifischen Interaktions- und Kommunikationsform wider.“17
Ihm zufolge sei nicht der Ort hierarchisiert, sondern die Gesellschaft. Dadurch „gibt es keinen
Raum, der nicht hierarchisiert ist und nicht die Hierarchie und soziale Distanz zum Ausdruck
bringt“.18
Umkämpfte Räume
Wie wird in solch einem Raum mit marginalisierten und stigmatisierten Individuen und Grup-
pen umgegangen? Findet sich darin Platz für Differenz und Verschiedenartigkeit? Johanna
Rolshoven schreibt: „Städte [und auch Straßen] sind Orte der Differenz“, und: „Heterogeni-
tät, Vielfalt und Differenz, aber auch Anonymität und Bewegung erlauben es, die Stadt als
einen dynamischen Lebensraum und Entfaltungsort für menschliche Lebewesen zu begreifen“.
Dadurch zeigen sich in Stadt-Räumen „die Strukturmerkmale der Gesellschaft; hier wird sie
fassbar: „sichtbar und beschreibbar“.19
In Straßenräumen und Städten finden tagtägliche „Aushandlungsprozesse um Raum, Res-
sourcen und individuelle Entfaltung statt [...] – Aushandlungsprozesse, die sich zwischen den
Geschlechtern abspielen, zwischen den Generationen, den sozialen Schichten, zwischen Ein-
heimischen und Fremden, das heißt grundsätzlich zwischen einander Fremden“.20 Gerade die
geschlechtsspezifische Relevanz im Aushandlungsprozess der räumlichen Ordnung spielt im
öffentlichen Straßenraum eine Rolle. Petra Unger zufolge sind „Geschlecht und Stadträume
[...] über ein komplexes Beziehungsgefüge miteinander verbunden. An der Schnittstelle von
Geschlecht, Stadt und Stigmatisierung stehen die Sexarbeiterinnen des Straßenstrichs.“21 Der
öffentliche Raum ist historisch betrachtet kein Raum für Frauen und auch nicht von Frauen
gemacht, insbesondere ist er für Sexarbeiterinnen ein stets umkämpfter Raum.
15 Petra Unger: Topografie der Vertreibung – eine Skizze. In: Stadtform. Sex in der Stadt 5 (2016), http://stadtform.
at/aktuelles/sexarbeit-in-der-stadt/ (Zugriff: 2.2.2019).
16 Vgl. ebd.
17 Claudia Maria Gröss: Kunst im öffentlichen Raum oder Kunst als öffentliches Ärgernis. Graz 2014, S. 29.
Online verfügbar: http://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/download/pdf/239691?originalFilename=true (Zugriff:
2.2.2019).
18 Vgl. Pierre Bourdieu: Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum. In: Martin Wentz (Hg.): Stadt-
Räume. Frankfurt am Main, New York 1991, S. 25-34, hier S. 26.
19 Johanna Rolshoven: Stadtsicherheit 2.0. Camouflage der Widersprüche. In: Jürgen Krusche (Hg.): Die ambiva-
lente Stadt. Gegenwart und Zukunft des öffentlichen Raums. Berlin 2017, S. 34-47, hier S. 35-36.
20 Vgl. ebd.
21 Petra Unger: Topografie der Vertreibung – eine Skizze, http://stadtform.at/aktuelles/sexarbeit-in-der-stadt/
(Zugriff: 02.02.2019).
>mcs_lab>
Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
- Titel
- >mcs_lab>
- Untertitel
- Mobile Culture Studies
- Band
- 1/2020
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 108
- Kategorien
- Zeitschriften Mobile Culture Studies The Journal