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>mcs_lab> - Mobile Culture Studies, Band 1/2020
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48 Mobile Culture Studies | >mcs_lab> 1 (2020)Sabrina Stranzl | “Your ignorance is more scandalous than my promiscuity” Historie und Memorie22 Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Sexarbeit in stĂ€ndiger Aushandlung und Bewegung ist: mit einer langen Tradition an Regulierungen, deren wesentlicher Charakter die Wechselbezie- hung von Ein- und Ausschluss ist. Sexarbeiterinnen wurden lange Zeit gesellschaftlich geĂ€ch- tet, ihre TĂ€tigkeit selbst als „unerwĂŒnscht, aber unverzichtbar“ bezeichnet. Reguliert wurde dieser „Kompromiss“ â€žĂŒber die Diskreditierung und Kontrolle“ der Sexarbeiterinnen.23 Gesellschaftliche Sexualmoralvorstellungen zeigen sich bereits im alten Babylon und wur- den dort erstmalig in Gesetzestexten festgehalten. Im alten Rom und im antiken Griechenland wurden diese fortgefĂŒhrt und erste Rollenbilder fĂŒr Frauen konstruiert – Rollenzuschreibungen von den „ehrbaren“ Frauen und den „nicht ehrbaren“ Frauen, den Sexarbeiterinnen, wurden produziert, strikt getrennt und reproduziert. Dadurch kommt es zu einer kulturellen Einschrei- bung, was sich fĂŒr eine Frau geziemt und was nicht. Ein weiterer Aspekt, der in der Antike gesetzlich geregelt worden ist und sich bis heute gehalten hat, ist die Registrierung von Sexarbei- terinnen und Sexarbeitern, damals im öffentlichen Stadtverzeichnis. Im frĂŒhen Christentum wurde die Lust zur SĂŒnde erklĂ€rt, aber dennoch wurde Sexarbeit als ‚notwendiges Übel‘ gedul- det.24 Dieses ambivalente VerhĂ€ltnis zieht sich durch das gesamte Mittelalter – sichtbar im Werk von Augustinus von Hippo25, spĂ€ter auch in der „Kloakentheorie“ von Thomas von Aquin: „Die Prostitution in den StĂ€dten gleicht der Kloake im Palast; schafft die Kloake ab, und der Palast wird ein unreiner und stinkender Ort werden.“26 Trotz oder vielleicht gerade wegen die- ser Ambivalenz zeigt sich im Mittelalter, dass Sexarbeit in ihren vielfĂ€ltigen Formen allgegen- wĂ€rtig war. Im Hochmittelalter wurde Sexarbeit nicht nur geduldet, sondern legitimiert und dadurch auch reguliert durch das Zunftwesen, durch FrauenhĂ€user und Kleidervorschriften. Regulierungen und Ordnungen hatten damals und haben auch heute noch eine ordnungs- politische Funktion: die immer noch vorhandenen Zuschreibungen der ‚ehrbaren‘ Frauen und 22 Utz Jeggle: Memorie und Historie. Zur Arbeit des Erinnerns. In: Christian Giordano u.a. (Hg.), Kultur anthro- pologisch: eine Festschrift fĂŒr Ina-Maria Greverus. Frankfurt am Main 1989, S. 343-360. 23 Vgl. Silvia Konto: Öffnung der Sperrbezirke. Zum Wandel von Theorien und Politik der Prostitution. Sulzbach/ Taunus 2009, S. 13. 24 Dieser folgende Unterpunkt wird ausfĂŒhrlich in meiner Bachelorarbeit „Sexarbeit – ein gesellschaftliches Tabuthema?! Perspektiven zu (arbeits-)rechtlicher und gesellschaftlicher Ein- und Ausgrenzung von Sexarbeit“, die in Linz öffentlich zugĂ€nglich ist, ausfĂŒhrlich behandelt. Sabrina Stranzl: Sexarbeit – ein gesellschaftliches Tabuthema?! Perspektiven zu (arbeits-)rechtlicher und gesellschaftlicher Ein- und Ausgrenzung von Sexarbeit. Graz 2018, S. 14-40. 25 Genaueres dazu in James A. Brundage: Prostitution in the Medieval Canon Law. In: Signs – Journal of Women in Culture and Society 1 (1976) 4, S. 825-845, hier S. 830; vgl. James A. Brundage: Sex, law and marriage in the Middle Ages. London 1993. 26 Thomas von Aquin zit. n. Silvia Kontos: Dienst am Mann – Prostitution als sexuelle Dienstleistung? Beit- rag fĂŒr die Fachtagung „Die Konstruktion von Prostitution und Frauenhandel in der Praxis der NGOs“ am 9./10.12.2003. In: Prostitution: Zwang oder Beruf? Tagesdokumentation, S. 11, http://www.fim- frauenrecht. de/images/pdf/FIMTagungsdokumentation_prostitutionzwangoderberuf.pdf (Zugriff: 15.11.2017). Silvia Kon- tos verweist hier darauf, dass sie die Originalstelle bis dato nicht finden konnte und hier auf die wissenschaftliche SeriositĂ€t von August Bebel hoffen muss. Ruth Mazo Karras, amerikanische MediĂ€vistin, verweist in ihrem Werk „SexualitĂ€t im Mittelalter“ auf BartholomĂ€us von Lucca (1236-1326/27), der folgende Aussage machte: „Eine Hure bedeutet fĂŒr die Welt das, was die Bilge eines Schiffes oder die Kloake eines Palastes ist: Wenn du auf sie verzichtest, erfĂŒllt sich der Palast mit Gestank.“ BartholomĂ€us von Lucca zit. n. Ruth Mazo Karras: SexualitĂ€t im Mittelalter. DĂŒsseldorf 2006, S. 222. – Mazo Karras verweist darauf, dass sich BartholomĂ€us von Lucca auf Augustinus bezieht, diese Stelle aber in dessen Werk nicht zu finden sei.
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>mcs_lab> Mobile Culture Studies, Band 1/2020
The Journal
Titel
>mcs_lab>
Untertitel
Mobile Culture Studies
Band
1/2020
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Ort
Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY 4.0
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
108
Kategorien
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